"Alle Hinweise, die wir haben, besagen, dass Oberst Gaddafi Geschichte ist", sagte Informationsminister Mahmud Schammam dem Fernsehsender CNN. Er sei während der Gefechte getötet worden. Milizionäre hätten versucht, ein Haus in Sirte zu stürmen. Gaddafi habe versucht zu flüchten. Er könne aber nicht sagen, ob der 69-Jährige in dem Haus oder in einem Fahrzeug getötet wurde. Der Übergangsrat werde sich am Nachmittag offiziell äußern.
Auch der Militärkommandeur des libyschen Übergangsrates in Tripolis, Abdelhakim Belhadsch, bestätigte im arabischen Fernsehsender Al-Dschasira den Tod Gaddafis in Sirte. Ein Kämpfer der Übergangsrat-Milizen sagte der BBC in Sirte, er sei dabei gewesen, als sein Trupp auf Gaddafi stieß und auf ihn schoss. Gaddafis Leiche soll am Donnerstagnachmittag in der Stadt Misrata gebracht worden sein, meldete der Nachrichtensender Al-Arabija.
Indes sind Fotos aufgetaucht, die den getöteten ehemaligen Diktator zeigen sollen. Auf einem Bild ist ein Mann zu sehen, bei dem es sich um Gaddafi handeln soll. Er liegt blutend und umringt von Milizionären des Übergangsrates auf dem Boden.
Ein Sprecher der Übergangsregierung sagte dem Nachrichtensender Al-Arabija: "Hier in Tripolis feiern die Menschen schon auf den Straßen." Al-Arabija meldete außerdem, in Sirte seien Gaddafis Sohn Muatassim und Abdullah al-Sanussi, ein enger Vertrauter des ehemaligen Machthabers, festgenommen worden.
Jubel in Tripolis
Muammar al-Gaddafi ist der erste Staatschef, dem der "Arabische Frühling" nicht nur den Machtverlust, sondern sogar den Tod gebracht hat. Für Ali aus der libyschen Hafenstadt Misrata ist es die beste Nachricht seit langer Zeit. "Die Tiger-Brigade aus Misrata hat ihn in einem unterirdischen Rohr der städtischen Wasserversorgung von Sirte gefunden, wo er sich versteckt hatte", sagt Ali, der in den letzten Monaten auch selbst mit den "Revolutionären" gegen die Gaddafi-Truppen gekämpft hatte, mit Genugtuung.
Ob sich Gaddafi gewehrt hat, ob er bei einem Nato-Angriff wenige Stunden zuvor verletzt wurde oder ob einer der Kämpfer des Übergangsrates im Reflex auf ihn geschossen hat, wird man vielleicht nie im Detail erfahren. Denn die neuen Machthaber, die sich noch gut daran erinnern, wie Gaddafi sie einst als "Ratten, die in ihren Löchern stecken" beschimpft hatte, haben großes Interesse daran, Gaddafi als Feigling darzustellen, der sich à la Saddam Hussein in einem Erdloch verkriecht.
Übergangsregierung steht vor großen Aufgaben
Denn Gaddafi kreiste wochenlang wie ein Gespenst über Libyen. Die Hauptstadt hatten die Truppen des Übergangsrates zwar befreit. Doch mit seinen Audio-Botschaften, die er von einem syrischen Fernsehsender verbreiten ließ, meldete sich der abgetauchte Diktator immer wieder zu Wort, um Angst und Unfrieden zu verbreiten. Und einige Libyer, für die Gaddafi in den mehr als vier Jahrzehnten seiner Herrschaft so etwas wie eine Naturgewalt geworden war, hielten es immer noch für möglich, dass er eines Tages an die Macht zurückkehrt.
Dass er jetzt in seiner Heimatstadt Sirte gefunden wurde, erstaunt die Übergangsregierung. Sie hatte zuletzt angenommen, er habe sich in Südlibyen in der Wüste versteckt, nahe der Grenze zu Algerien.
Jetzt, wo Gaddafi tot ist, kommen große Aufgaben auf den Übergangsrat und seinen Vorsitzenden Mustafa Abduldschalil zu. Denn bisher hatten der Rat und die ihm angegliederte Übergangsregierung von Ministerpräsident Mahmud Dschibril immer erklärt, der politische Prozess müsse so lange warten, bis die letzten Gebiete östlich von Tripolis "befreit" wären. Nun müssen sie die Waffen einsammeln, die bei den ehemaligen Rebellen verblieben sind, Wahlen organisieren - und entscheiden, wer von der alten Führung vor Gericht gestellt wird und wem verziehen werden soll.
EU begrüßt Ende der Gewaltherrschaft in Libyen
Im Tod Gaddafis sieht Europäische Union "ein Ende der Ära von Gewaltherrschaft und Unterdrückung, unter der das libysche Volk zu lange gelitten hat". In einer Erklärung von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso vom Donnerstag heißt es: "Heute kann Libyen eine neue Seite in seiner Geschichte aufschlagen und eine neue demokratische Zukunft beginnen."
Die politische EU-Spitze forderte den Nationalen Übergangsrat Libyens auf, einen "breit angelegten Prozess der Aussöhnung" einzuleiten. Dieser müsse sich an alle Libyer richten und einen "demokratischen, friedlichen und transparenten Übergang im Land ermöglichen".
In Rom reagierte Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi mit den Worten "Sic transit gloria mundi" - so vergeht der Ruhm der Welt - auf die Berichte über den Tod des einstigen Partners Gaddafi. Er fügte hinzu: "Jetzt ist der Krieg vorbei." Das berichtete die italienische Nachrichtenagentur Ansa. Außenminister Franco Frattini bezeichnete Gaddafis Festnahme als "großen Sieg für das libysche Volk".