Kurz vor dem EU-Gipfel zur Lösung der Schuldenkrise streiten die Euro-Länder weiter über Wege, um die Schlagkraft des Rettungsschirms EFSF zu erhöhen. Die in der Nacht zum Donnerstag von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) an die Bundestags-Fraktionen verschickten Leitlinien enthalten noch kein Modell, um den EFSF-Fonds möglichst effizient zu nutzen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur dpa aus Koalitionskreisen in Berlin. Hintergrund dürfte auch der anhaltende Streit zwischen Deutschland und Frankreich sein.
Minigipfel ohne Durchbruch
Berlin favorisiert bisher eine Versicherungs- beziehungsweise eine Art Teilkasko-Lösung. Paris strebt dagegen dem Vernehmen nach weiter eine Banklizenz für den EFSF sowie eine "Hebelwirkung" und höhere Finanzierungshilfen über die Europäische Zentralbank (EZB) an. Dies lehnt Deutschland strikt ab. Auch ein Minigipfel von Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, Kanzlerin Angela Merkel und den EU-Spitzen in Frankfurt am Mittwoch brachte offenbar noch keinen Durchbruch.
Vor dem Krisengipfel der EU-Staats- und Regierungschefs an diesem Sonntag in Brüssel ist damit ein wesentlicher Punkt des angestrebten umfassenden Lösungspakets weiter offen. Das Paket soll neben der höheren EFSF-Schlagkraft auch Wege zur Stabilisierung Griechenlands aufzeigen sowie zur Kapitalisierung europäischer Banken.
EFSF-Leitlinien werden in Koalition diskutiert
Bei den jetzt verschickten Leitlinien geht es um die konkrete Ausgestaltung der neuen Instrumente für den erst kürzlich erweiterten Rettungsschirm EFSF. Den Leitlinien und damit auch dem Modell für eine höhere EFSF-Schlagkraft muss vorher aber noch der Haushaltsausschuss des Bundestages zustimmen.
Die Koalitionsfraktionen wollten sich bereits an diesem Donnerstag in Sondersitzungen mit den Leitlinien befassen. Das komplizierte Regelwerk liegt bisher aber nur in englischer Sprache vor. Offen ist, wann der Haushaltsausschuss vor dem Gipfel grünes Licht gibt. Auch könnte die Opposition versuchen, eine Abstimmung des gesamten Bundestages im Plenum durchzusetzen.
Griechenland bangt um weitere nächste Zahlung
Griechenland muss unterdessen weiter um die Auszahlung der nächsten Hilfstranche von acht Milliarden Euro bangen. Der Abschlussbericht der sogenannten Troika aus Europäischer Zentralbank (EZB), Internationalem Währungsfonds (IWF) und EU-Kommission verzögert sich, wie aus Koalitionskreisen verlautete.
Nach dpa-Informationen gibt es noch Unstimmigkeiten unter den "Troika"-Partnern. Nach den ursprünglichen Plänen war der Bericht eigentlich noch am Mittwoch erwartet worden.
Es geht um die inzwischen sechste Kredittranche aus dem im Mai 2010 von den Europäern und dem IWF geschnürten ersten Rettungspaket für Athen von insgesamt 110 Milliarden Euro. Auf Grundlage des Abschlussberichtes wollten die Finanzminister der Euro-Zone bisher noch an diesem Freitag über die Freigabe der Hilfen entscheiden - und damit unmittelbar vor dem EU-Gipfel am Sonntag.
Banken sollen selbst frisches Kapital beschaffen
Der EFSF-Fonds kann künftig auch Staatsanleihen kriselnder Euro-Länder aufkaufen - sowohl von Regierungen als auch von Investoren (Primär- und Sekundärmarkt). Auch soll er vorsorglich Kreditlinien bereitstellen für Euro-Länder sowie Gelder, damit Länder angeschlagene Finanzinstitute stützen können. Paris wollte nach früheren Angaben den EFSF auch direkt anzapfen zur Bankenstützung.
Bei der angestrebten Banken-Kapitalisierung sollen die Institute sich zunächst aber bei Aktionären und Finanzinvestoren um frisches Kapital bemühen. Erst in einem nächsten Schritt sollen Staaten einspringen. Insgesamt geht es bei den neuen EFSF-Instrumenten auch darum, Ansteckungsgefahren in der Euro-Zone zu verhindern.
Wie die Schlagkraft des EFSF erhöhen?
Bei der weiter strittigen Frage einer höheren Schlagkraft des EFSF geht es im Kern darum, mehr Anreize für den Kauf von Staatsanleihen von Euro-Ländern zu schaffen. Das Ausleihvolumen des EFSF selbst von 440 Milliarden Euro sowie das Garantievolumen der Euro-Länder von 780 Milliarden Euro soll aber nicht weiter erhöht werden.
Nach dem Teilkasko-Modell würde der EFSF-Fonds nur einen Teil der Staatsanleihen kriselnder Euro-Länder und nicht 100 Prozent absichern. Auf diese Weise könnten die Finanzhilfen vervielfacht werden. Davon könnten vor allem Länder mit angeschlagenem Ruf wie Spanien und Italien profitieren, denn die Botschaft der Hebel-Lösung wäre: Der Fonds ist auch stark genug für große Volkswirtschaften.