Netanjahu warnt Freigelassene vor neuem Terror
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat die am Dienstag freigelassenen palästinensischen Häftlinge davor gewarnt, sich an neuen Gewalttaten gegen Israelis zu beteiligen. Die Hamas sieht in dem Häftlingsaustausch einen "Schritt zur Befreiung aller palästinensischen Gefangenen". Der Westen begrüßt das Ende der Geiselhaft für Schalit.

Hunderte militante Palästinenser hat Israel im Austausch für Gilad Schalit freigelassen - Ministerpräsident Netanjahu droht jedem mit Konsequenzen, der zum Terror zurückkehrt. "Wer zum Terror zurückkehrt, muss die Konsequenzen tragen", sagte der israelische Regierungschef auf dem Luftwaffenstützpunkt Tel Nov. Netanjahu sprach während einer Begrüßungszeremonie für den freigelassenen israelischen Soldaten Gilad Schalit.

"Gilad ist heute heimgekehrt zu seiner Familie und seinem Volk. Dies ist ein bewegender Moment", bekannte Netanjahu. "Ich war mir bewusst, dass ich eine schwere Verantwortung trage. Dies sind Momente, in denen ein Führer allein ist und entscheiden muss", betonte er: "Ich habe an Gilad gedacht und die fünf Jahre, die er in einem Verließ gelitten hat. Ich wollte nicht, dass er dasselbe Schicksal erleidet wie Ron Arad." Der Flieger war vor 25 Jahren im Libanon in Gefangenschaft geraten und ist bis heute nicht zurückgekehrt.

Meschaal: Austausch war Schritt zur Befreiung aller Gefangener

Der Exilchef der radikal-islamischen palästinensischen Bewegung Hamas, Chalid Meschaal, hat den Austausch des israelischen Soldaten Gilad Schalit für über 1.000 inhaftierte Palästinenser als "Schritt zur Befreiung aller palästinensischen Gefangenen" bezeichnet. Alle Palästinenser könnten "stolz" darauf sein, dass es gelungen sei, Schalit nach seiner Entführung fünf Jahre lang im Gazastreifen zu verstecken, sagte Meschaal am Dienstagabend in Kairo vor etwa 40 Palästinensern, die nach den Vereinbarungen des Austauschs nach Katar, Syrien und in die Türkei gebracht werden. Meschaal steht in Damaskus dem Politbüro der Hamas vor.

Er wertete den Austausch als Beispiel für "erfolgreiche Verhandlungen, die den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu gezwungen haben, dem Austausch zuzustimmen und die ihn vor der öffentlichen Meinung in Israel bloßgestellt haben". Er fügte hinzu, dass "der Feind nur unter Druck nachgibt".

Ismail Hanija, Anführer der im Gazastreifen herrschenden Hamas, sah einen "historischen Sieg". In Ramallah küsste Palästinenserpräsident Mahmud Abbas überschwänglich Ex-Häftlinge, die über einen provisorischen Übergang ins Westjordanland gekommen waren. Nach Jahren abgrundtiefer Feindschaft zur Hamas trat Abbas erstmals wieder gemeinsam mit einem Hamas-Führer auf.

Schalits Vater dankbar für Freilassung des Sohns

Der Vater des nach fünf Jahren Geiselhaft freigelassenen israelischen Soldaten Gilad Schalit hat sich bei der Regierung und der Öffentlichkeit bedankt. "Wir hoffen, dass er zu einem normalen Leben zurückfinden kann", sagte Noam Schalit am Dienstagabend Journalisten vor seinem Haus in Mizpe Hila im Norden Israels. Schalit war nach mehr als fünf Jahren Haft von der radikalislamischen Hamas freigelassen worden. Im Gegenzug lässt Israel mehr als tausend palästinensische Häftlinge frei.

"Es ist, als ob unser Sohn wiedergeboren worden wäre", beschrieb er die Gefühle der Familie nach der Heimkehr des heute 25-Jährigen. "Gilad fühlt sich gut." Gleichzeitig erklärte er, der junge Mann leide an einigen Verletzungen, die noch behandelt werden müssten. Er habe noch Granatsplitter im Körper. Diese Verletzungen seien in der Geiselhaft nicht angemessen behandelt worden. Er habe zudem zu wenig Sonnenlicht gehabt.

Zu Fragen nach Einzelheiten aus der mehr als fünfjährigen Geiselhaft sagte Schalit: "Ich habe noch nicht viel mit ihm gesprochen, sondern ihn nur fest in den Arm genommen." Er brauche jetzt Schonung. "Erlaubt es ihm, so schnell wie möglich wieder zur Normalität zurückzukehren", appellierte er an die Journalisten.

Gefangenenaustausch ist "bedeutender humanitärer Durchbruch"

Politiker weltweit zeigten sich erleichtert nach der Freilassung Schalits. Wie bei Bundeskanzlerin Angela Merkel mischte sich in die Freude auch die Hoffnung auf baldige Fortschritte im Nahost-Friedensprozess. Nach 13 Monaten Eiszeit wollen sich Israel und die Palästinenser am 26. Oktober erstmals wieder zu indirekten Friedensgesprächen mit Hilfe eines Vermittlers treffen.

Der britische Premierminister David Cameron hofft, "dass dieser Gefangenenaustausch den Frieden ein Stück näher bringen wird". Das Weiße Haus in Washington begrüßte die Freilassung Schalits. "Wir freuen uns, dass Herr Schalit wieder mit seiner Familie vereinigt ist", sagte Regierungssprecher Jay Carney. "Wir haben lange seine Freilassung gefordert." UN-Generalsekretär Ban Ki Moon nannte den Gefangenenaustausch einen "bedeutenden humanitären Durchbruch", der sich hoffentlich positiv auf die festgefahrenen Nahost-Friedensgespräche auswirken werde.

Orthodoxe Rabbiner begrüßen Freilassung

Die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland hat auf die Freilassung des israelischen Soldaten Gilad Shalit mit Freude reagiert. Für das lang ersehnte Ende der fünfjährigen Gefangenschaft sei in vielen Synagogen in Deutschland wie auch weltweit Woche für Woche gebetet worden, teilte die Rabbinerkonferenz am Dienstag mit. Die Konferenz vereint 32 orthodoxe Rabbiner.

Die frühere Präsidentin des Zentralrates der Juden, Charlotte Knobloch, nannte die Freilassung "eine gute Nachricht für das gesamte jüdische Volk". Sie dankte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), dem deutschen Vermittler sowie der ägyptischen Regierung für das Zustandekommen des Austauschs.

Nach mehr als fünf Jahren in den Händen der Hamas war Schalit freigelassen worden. Im Zuge des größten Gefangenenaustauschs im Nahen Osten seit einem Viertel Jahrhundert Jahren entließ Israel die ersten 477 von 1.027 palästinensischen Häftlingen in die Freiheit. In zwei Monaten sollen 550 weitere Palästinenser freikommen, die Israel aber selbst aussuchen kann.

dpa/epd