Jesus forderte seine Jünger auf, von den Dächern zu predigen: "Was ich euch sage in der Finsternis, das redet im Licht; und was euch gesagt wird in das Ohr, das predigt auf den Dächern." (Matthäus 10, Vers 27). Martin Luther nagelte - jedenfalls der Legende nach - 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg. Konfirmanden im Jahr 2011 verbinden beides: Sie lassen Gottes Wort als Papierflieger von Dächern segeln. Organisierte kirchliche Flashmobs zum Reformationstag 2011 - so geht Mission heute.
Das Medium der Reformation ist im Prinzip seit Luther gleich geblieben: Papier. Er schrieb seine Thesen, Predigten und Katechismen in deutscher Sprache auf und löste zusammen mit Johannes Gutenberg und dessen Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern und der Druckerpresse eine Kulturrevolution aus. Luthers Anliegen: Gottes Wort unter die Leute bringen. Und zwar so, dass sie es verstehen und eigenständig darüber nachdenken können, was denn dieses Wort für ihr Leben bedeutet.
Einmal tun, was Spaß macht und verboten ist
Das Wortsoll den Menschen am nächsten Montag von oben herab missionarisch vor die Füße fallen - handgeschrieben oder gedruckt auf Papier, in Form von Segelfliegern. Die Aktion Segensflieger ist eine ernsthafte Spaß-Aktion für kirchliche Jugendgruppen und Schulklassen, die ausnahmsweise tun dürfen, wofür sie sonst gerügt würden: Auf Türme klettern und Papierflieger werfen. Und das auch noch gemeinsam mit Lehrerin oder Pfarrer. Im Andenken an Martin Luther starten die Flugzeuge am Reformationstag alle um 15.17 Uhr.
Auf den Papierfliegern soll jeweils ein Segenswort oder ein Bibelvers stehen, zum Beispiel (weil er so schön nach "fliegen" klingt) Psalm 139, die Verse 9 und 10: "Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde auch dort Deine Hand mich führen und Deine Rechte mich halten." Mindestens genauso passend wäre eine von Luthers 95 Thesen, am besten mit Erläuterung. Denn in der Beschäftigung mit seiner Kirchenkritik und seinen Gedanken über Gott und Mensch sollten die Jugendlichen eine "eigene reformatorische Erkenntnis" entwickeln und einbringen, so formuliert es Pastor Christoph Römhild, der die Aktion Segensflieger bei der Evangelischen Kirche in Deutschland betreut.
Reformation heute: selbst denken, reden, schreiben und surfen
Die eigene Erkenntnis, darauf kommt es nach evangelischem Verständnis an: Menschen fühlen sich persönlich von Gott angesprochen und ohne Vorbedingung geliebt und wertgeachtet. Der nächste Schritt ist die Weitergabe dieser Erkenntnis an andere: Im Rahmen des Reformprozesses "Kirche im Aufbruch" gibt die EKD seit 2008 Themenhefte zum Reformationstag heraus, dieses Jahr lautet das Thema "Raus mit der Sprache". Ziel ist, dass evangelische Christen lernen, ihren Glauben in Worte zu fassen, sprachfähig werden. Im Heft finden sich Bilder, Gedanken und Beispiele, Predigtansätze und Statements zu Glaubenserfahrungen. Hätte Luther an diesem Heft mitgewirkt, er hätte vermutlich so etwas geschrieben: "Wirklich übersetzen heißt: etwas, das in einer andern Sprache gesprochen ist, seiner Sprache anpassen."
Und heute? Da die Kirche immer neu und beständig zu reformieren ist, ist es wohl an der Zeit, neue, originelle Kommunikationsformen zu entwickeln. Bei der Aktion Segensflieger geht es darum, "dem Reformationstag medial neues Leben einzuhauchen", erklärt Pastor Christoph Römhild: Die einzelnen Flashmobs aus (hoffentlich) ganz Deutschland sollen über Facebook, Xing und geistreich.de umfassend von den Teilnehmern selbst kommuniziert und dokumentiert werden. Der Plan ist also: Ein reformatorischer und missionarischer Churchmob im Social Web. Mehr Infos und die Anleitung zur Aktion "Segensflieger" gibt es unter www.geistreich.de.
Anne Kampf ist Redakteurin bei evangelisch.de.