Insgesamt 1.661 Menschen hätten im vergangenen Jahr beim Deutschen Presserat ihrem Ärger über Veröffentlichungen von Zeitungen und Zeitschriften Luft gemacht, teilte die Selbstkontrolle der Printmedien in Berlin mit. Allein 240 Beschwerden richteten sich gegen die Darstellung der Opfer der Loveparade-Massenpanik. Der Presserat sprach in einigen Fällen Missbilligungen und Rügen aus, in anderen Fällen wurde die Kritik als unbegründet zurückgewiesen.
Das "Titanic"-Titelbild, das einen katholischen Geistlichen in Schritthöhe vor einem Kreuz mit Jesus Christus zeigt, betrachteten rund 200 Einsender als Verletzung religiöser Gefühle. Der Presserat entschied, dass das Bild durch Pressefreiheit gedeckt sei.
Presserat sieht besonderen Opferschutz
Opfer von Gewalt und Katastrophen hätten ein besonderes Recht auf Schutz ihrer Persönlichkeit, auch die Hinterbliebenen müssten vor solchen Darstellungen geschützt werden. Mit dem Argument aus Redaktionen, mit Fotos einzelner Opfer könne das Ausmaß einer Tragödie emotional besser dargestellt werden, habe sich der Presserat lange befasst, sagte deren Sprecher Bernd Hilder, Chefredakteur der "Leipziger Volkszeitung". Letztendlich habe man sich aber gegen eine Lockerung des Opferschutzes entschieden. Diskutiert hat der Presserat die Namensnennung von Richtern bei umstrittenen Entscheidungen oder Urteilen. Zwar sei gegen die Namensnennung eines Richters prinzipiell nichts einzuwenden. Der Richter dürfe aber dabei in der Darstellung nicht als Privatperson an den Pranger gestellt werden.
Von den 1.661 Beschwerden, die 2010 eingingen, bewertete der Presserat knapp 350 als unbegründet. In 34 Fällen wurden öffentliche Rügen ausgesprochen, die von den betroffenen Blättern auch veröffentlicht werden müssen. Außerdem gab es auch andere Formen von Sanktionen wie nicht-öffentliche Rügen und Missbilligungen. Für dieses Jahr rechnet der Presserat mit etwa 1.200 Beschwerden. Dabei sei kein Schwerpunkt zu erkennen. Gegen die Darstellung in Bildergalerien der einzelnen Opfer des Massenmords von Oslo seien bisher 16 Beschwerden eingegangen.
Gesetz zur Stärkung der Pressefreiheit ist "notwendig"
Außerdem forderte der Deutsche Presserat, das Gesetz zur Stärkung der Pressefreiheit bald zu verabschieden. Leider seien die parlamentarischen Beratungen zu dem Gesetz, das Journalisten vor einer Strafverfolgung wegen Geheimnisverrats schützen soll, ins Stocken geraten, so die Kritik von Presserat-Sprecher Bernd Hilder. Es sei dringend notwendig, dass der Bundestag Konsequenzen aus dem sogenannten "Cicero"-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Februar 2007 ziehe.
Dem Bundestag liegen derzeit sowohl ein Gesetzentwurf der Bundesregierung als auch ein weitergehender Vorschlag der Grünen-Fraktion vor. Beide sehen vor, dass Journalisten nicht mehr des Geheimnisverrats beschuldigt werden können, wenn sie ihnen zugespieltes Material veröffentlichen. Die Grünen wollen erreichen, dass Beschlagnahmungen bei dringendem Tatverdacht nur auf richterliche Anordnung geschehen dürfen. Zudem sollen Journalisten Berufsgeheimnisträgern wie Rechtsanwälten, Geistlichen und Abgeordneten gleichgestellt werden.
Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil eine staatsanwaltschaftliche Durchsuchung der Redaktionsräume der Potsdamer Monatszeitschrift "Cicero" als ungerechtfertigten Eingriff in die Pressefreiheit verurteilt. Das Magazin hatte zuvor einen vertraulichen Auswertungsbericht des Bundeskriminalamts über die Überwachung eines mutmaßlichen islamistischen Terroristen veröffentlicht.
Der Deutsche Presserat wurde 1956 von den deutschen Verleger- und Journalistenorganisationen als Organ der Freiwilligen Selbstkontrolle gegründet. Er tritt für die Belange der Pressefreiheit ein. Zudem prüft er die von Privatpersonen oder Organisationen eingegangenen Beschwerden gegen die Berichterstattung von Zeitungen, Zeitschriften und Online-Medien in konkreten Einzelfällen.