Isa Brünker stammt aus Bad Brückenau, einem kleinen Ort im Norden von Bayern. Sie ist eine der ersten Abiturientinnen, die nur 12 Jahre in der Schule waren. Weil sie außerdem vorzeitig eingeschult worden war, darf sie nun schon mit 17 an die Uni - und fühlt sich dort am richtigen Platz: "Ich freu' mich darauf, die Leute kennenzulernen, das wird sehr spannend." Dass sie jünger ist als die meisten anderen, spielt für Isa kaum eine Rolle. Ihre WG-Mitbewohnerin ist 20, die Mitstudenten teilweise älter, "aber ich merke keinen großen Unterschied", sagt sie. Was alle verbindet, ist das Interesse an der Medizin.
Isa Brünker ist 17 und studiert Medizin in Frankfurt am Main. Foto: evangelisch.de/Anne Kampf
Die junge Frau aus Bayern hatte erst darüber nachgedacht, nach dem Abitur für ein Jahr ein Schauspielprojekt einzuschieben - doch dann bekam sie den Studienplatz in Frankfurt und ergriff die Chance. "Ich geh da jetzt ganz gelassen rein", meint Isa - doch ein bisschen Aufregung ist ihr schon anzumerken.
"Ich wollte immer in einer Großstadt", sagt Isa. Den Mietvertrag für das WG-Zimmer in Frankfurt haben ihre Eltern abgeschlossen, alles andere konnte sie - obwohl noch minderjährig - bisher selbst unterschreiben. "Bei der ärztlichen Schweigepflicht muss ich das ja sowieso selber tun", erklärt die angehende Medizinerin.
Zahl der Minderjährigen hat sich verdreifacht
Das Studium mit 17 ist an den Universitäten in Deutschland kein Problem - und eigentlich auch nichts Neues. Es gab schon immer Schüler, die im so genannten "Frühstudium" neben der Oberstufe Veranstaltungen an einer Uni besuchten und sogar Scheine machten, und es gab vereinzelt auch Abiturienten, die Schuljahre übersprungen hatten und sich daher schon mit 16 oder 17 regulär einschreiben konnten.
In den vergangenen Jahren sind es allerdings mehr geworden: Während 1999 insgesamt 223 "Erstsemester" unter 18 Jahre alt waren, hat sich ihre Zahl bis 2009 auf 658 verdreifacht. Neuere Daten gibt es beim Statistischen Bundesamt noch nicht. Wegen der G8-Abiturjahrgänge dürften in den nächsten Jahren noch mehr minderjährige Studenten an die Unis kommen: 2012 kommt der erste Doppeljahrgang aus Berlin und Baden-Württemberg, 2013 aus Hessen und Nordrhein-Westfalen.
Die Universitäten wissen erst einige Wochen nach Semesterbeginn, wie viele neue Studenten überhaupt da sind - und wie viele davon minderjährig sind. Nachrücker und Studienort-Wechsler bringen die Statistik bis November oder Dezember noch durcheinander. Doch der Trend ist deutlich: Die Ludwig-Maximilians-Universität in München, die größte Hochschule in Deutschland nach der Fernuni Hagen, zählt bisher 93 minderjährige Erstsemester-Studenten zum Wintersemester 2011/12, im vergangenen Jahr waren es 26. Allerdings relativieren sich die Zahlen immer sehr schnell - ganz einfach, weil die meisten der sehr jungen Studierenden im November, Dezember oder Januar Geburtstag haben. So auch Isa Brünker: Am 19. Dezember wird sie volljährig.
"Alle Rechte und Pflichten, wie die anderen auch"
Für die Einschreibung der Minderjährigen versuchen die Universitäten, den Verwaltungsaufwand möglichst überschaubar zu halten: "Es muss zur Immatrikulation eine Einverständniserklärung der Erziehungsberechtigten vorliegen", erklärt Romas Bielke, Pressesprecher der Georg-August-Universität Göttingen, "denn die Immatrikulation ist ein juristischer Akt." Die Erklärung kann man im Internet herunterladen und muss sie nur unterschrieben mitbringen. Auch die Ludwig-Maximilians-Universität München arbeitet mit einer solchen Generalvollmacht von den Eltern der jungen Studierenden. "Sobald sie sich immatrikulieren, haben sie alle Rechte und Pflichten, wie alle Studierenden auch", heißt es von der Pressestelle.
In München denkt man jetzt darüber nach, mehr Beratung für die Eltern anzubieten - schließlich sollen sie die Studienwünsche für ihre Söhne und Töchter nicht ahnungslos unterschreiben. An der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt wird außerdem ein Arbeitskreis eingesetzt, um mögliche Probleme der minderjährigen Studenten zu beobachten. Bisher sind allerdings laut dem Hochschul-Juristen Robert Pfeffer gar keine Probleme aufgetaucht - zumindest keine juristischen. Die Frage, ob minderjährige Studierende abends Zugang zu Kneipen und alkoholischen Getränken haben, kann wohl getrost der studentischen Selbstorganisation überlassen bleiben.
Anne Kampf ist Redakteurin bei evangelisch.de und zuständig für die Ressorts Politik und Gesellschaft.