Dominik K. hat seinen Bachelor in Psychologie an der Freien Universität in Berlin absolviert. Seine sehr gute Abschlussnote 1,4 müsste eigentlich Grund zur Freude sein. Doch Dominik ist betrübt: "Um mit Sicherheit einen Psychologie-Masterplatz in Berlin zu erhalten, brauchte man in diesem Semester einen Schnitt von 1,0." Die Schwierigkeit der Masterplatzsuche ist ein Problem, über das aktuell viele Absolventen des neuen Systems klagen.
Seit der Bologna-Erklärung vor zwölf Jahren gibt es rege Diskussionen um die in Deutschland neu eingeführten Abschlüsse Bachelor und Master. Damals, am 19. Juni 1999, verpflichteten sich 30 europäische Staaten, bis 2010 alle ihre Studiengänge umzustellen. In Deutschland ist es zu diesem Wintersemester nicht mehr möglich, einen Diplom- oder Magisterstudiengang zu beginnen. Die Freie Universität in Berlin gilt als vorbildlich, da sie sehr schnell die Hochschulreform umsetzte. Mittlerweile wurde die Studienordnung des Bachelors in Psychologie sogar in Kooperation mit den Studierenden schon wieder neu verabschiedet. Das hohe Tempo und der gute Ruf der Uni brachte es jedoch mit sich, dass es für die ersten Masterplätze viel zu viele Bewerber gab.
Für den Berliner Dominik K. steht damit fest, dass er aus seiner Heimatstadt wegziehen muss. Früher sei es besser gewesen, meint er: "Dort, wo man einen Diplomstudiengang begann, konnte man ihn auf jeden Fall auch zu Ende machen." Der 23-Jährige ist aber froh, überhaupt einen Platz für sein Masterstudium zu haben. Ein guter Freund von ihm mit der Psychologie-Bachelor-Abschlussnote 1,8 sucht noch immer.
"Insgesamt gibt es nicht zu wenige Masterplätze"
Ein weiteres Beispiel gibt es an der Kölner Universität: Nur 18 Prozent der begehrten BWL-Masterplätze gingen im vergangenen Wintersemester an Studenten, die dort auch den Bachelor absolviert hatten. Problematisch ist in diesem Kontext weiterhin der kürzlich geschlossene Hochschulpakt. Dieser soll garantieren, dass zwischen 2011 bis 2015 möglichst viele Abiturienten ein Studium aufnehmen können. Wenn aber noch mehr Bachelor-Plätze geschaffen werden, wird das Verhältnis Master- zu Bachelor-Platz weiter sinken.
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Aus Sicht vieler Studierenden ist dies der größte Nachteil der neuen zweistufigen Struktur. "Beim Fach Informatik ist das allerdings unproblematisch", sagt der Berliner Student Tobias Mittelbaum. "Alle, die bei uns durch den Bachelor kommen, kriegen auch einen Masterplatz." Susanne Schilden, Pressesprecherin der Hochschulrektorenkonferenz in Bonn, meint, dass derzeit in der Hochschullandschaft kein genereller Mangel an Masterplätzen herrsche. "Natürlich können Studierende nicht immer genau ihren Platz erster Wahl bekommen, aber insgesamt gibt es jedenfalls in diesem Studienjahr nach unseren Informationen genügend Masterplätze."
Schilden verweist jedoch darauf, dass das Hochschulsystem sich in einer Umbruchphase befinde, in der Prognosen über das Studierverhalten, das Einstellungsverhalten der Wirtschaft und damit den Studienplatzbedarf noch sehr schwierig seien. "Aber sicher steigt die Nachfrage noch, wenn die Zahl der BA-Absolventen in den kommenden Jahren größer wird." Daher sei es notwendig, so Schilden, dass den Hochschulen der finanzielle Spielraum gegeben werde, Master-Studienplätze bedarfsgerecht anzubieten. Von rund 2.120.000 Immatrikulierten an den deutschen Hochschulen waren im vergangenen Wintersemester rund 975.000 in Bachelor-Studiengängen eingeschrieben und lediglich rund 145.000 in Master-Studiengängen.
Die Wirtschaft freut sich über viele Bachelor-Absolventen
Der große Vorteil des Bachelor besteht laut Bologna-Erklärung nun auch in dem schnellen Berufseinstieg nach dreijährigem Studium, auf den zielgerichtet vorbereitet werden soll. "Die Wirtschaft hat die Reform von Anfang an unterstützt", sagt Henning Dettleff von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Es gebe mittlerweile bereits mehrere Studien, die die guten Aussichten der Bachelorabsolventen auf dem Arbeitsmarkt belegten.
Dettleff verweist auf die "Bachelor-Welcome-Erklärungen", die viele deutsche Unternehmen wie die Deutsche Bahn AG, BASF, die Allianz oder SAP unterzeichneten. Eine ablehnende Haltung forschender Institute und Unternehmen, beispielsweise in der Chemieindustrie, ist jedoch auch verständlich. Es scheint, dass hier der Master der Mindestabschluss bleibt. "Haben doch früher auch 87 Prozent aller Diplom-Chemiker promoviert", erklärt Dettleff.
Auch manchen Geisteswissenschaftlern erscheinen drei Jahre Studium wenig. "Die ganze deutsche Bildungskultur, die es früher in vielen geisteswissenschaftlichen Studiengängen gab, ist hin", sagt die Dortmunder Germanistikstudentin Johanna Dreisel. Sie meint, dies beurteilen zu können: "Immerhin war ich früher mal in einem Diplomstudiengang eingeschrieben und mache nun einen Bachelor."
Auch Jennifer Ried, die drei Semester Soziologie und Politikwissenschaften an der Humboldt Universität Berlin studiert hat, ist unzufrieden: "Vor allem diese Massen sinnloses Auswendiglernen nervt." Eine gute Bachelor-Note und damit Zugang zum Master erhalte, wer fleißig und stupide große Mengen an Inhalten in Klausuren reproduziere. "Es geht kaum noch um eigenständiges, einordnendes und kreatives Denken." Ried sagt: "Keiner meiner Kommilitonen, egal wen ich frage, ist glücklich mit dieser Art der Ausbildung."
Sarah Salin ist Diplom-Journalistin und wohnt in Berlin.