"Tatort: Das schwarze Haus", 16. Oktober, 20.15 Uhr im Ersten
Die Idee ist nicht neu, aber immer wieder reizvoll: Mehrere Morde basieren auf den Bestsellern eines Krimi-Schriftstellers. Markenzeichen des Autors sind seine ausgefallenen Tötungsarten. Natürlich verschafft ihm dies ein nahe liegendes Alibi: Kein halbwegs intelligenter Mensch wäre so blöd, die eigenen Ideen zu imitieren. Es sei denn, er hält sich für weitaus cleverer als die Ermittler.
Die Rolle des Schriftstellers Ruben Rath ist von entsprechend großer Bedeutung für diesen Bodensee-"Tatort". Die Konstanzer Krimis verzichten in der Regel auf bekannte Schauspieler; vermutlich ist es schon teuer genug, die Filme in der Provinz zu produzieren. Für "Das schwarze Haus" aber wurden gleich zwei Stars engagiert: vor der Kamera Hannes Jaenicke als Ruben Rath, hinter der Kamera Thomas Bohn. Der frühere Werbefilmer hat bereits 16 Sonntagskrimis inszeniert, bis in die Neunzigerjahre auch regelmäßig für den SWR, sich dann aber ganz auf die von ihm entworfene Figur des Hamburger "Tatort"-Ermittlers Jan Casstorff konzentriert.
Kaum hat Klara Blum einen Verdächtigen, wird er ermordet
Bohn, der in der Regel auch die Drehbücher zu seinen Filmen schreibt, konfrontiert Klara Blum (Eva Mattes) in seinem ersten Bodensee-"Tatort" mit einem Gegenspieler, an dem sie sich die Zähne ausbeißt: Der Autor, extrem cool und lässig, ist beinahe eine Nummer zu groß für die Konstanzer Kommissarin. Zu gern würde sie den Schriftsteller überführen, aber als auf ihn geschossen wird, scheint er eher Opfer als Täter. Ein offenkundiges Motiv hätte er ohnehin nicht: Der Reihe nach werden die Mitglieder des Vorstands einer "Kulturfabrik" umgebracht. Das erste Opfer stirbt an einem perfide arrangierten Stromschlag, das zweite stürzt vom Hochsitz auf eine mit den Spießen nach oben liegende Egge. Und wie das so ist im anstrengenden Ermittlerdasein: Kaum hat sich Blum einen Verdächtigen ausgeguckt, schon wird auch er gemeuchelt.
Mindestens so interessant wie Rath ist die Rolle seines Sohnes Ferry (Jonathan Müller): Der junge Mann leidet unter dem Asperger-Syndrom, einer Spielart des Autismus. Dass solche Menschen oft besondere Begabungen haben, vertieft Bohn allerdings nicht weiter. Für die Geschichte wichtig ist Ferry, weil er mit Susanne (Annika Blendl) liiert ist, einer Kellnerin im Künstlercafé, und die hätte durchaus Grund für Rachepläne: Das erste Opfer, ein Maler, hatte sie sexuell bedrängt; das zweite, eine Galeristin, im Grunde auch. Aber der Vorstand der Kulturfabrik ist sich ohnehin in derart inniger Feindschaft zugetan, dass man auch dem verkrachten Komponisten Backhausen (Stephan Kampwirth) alle möglichen Schandtaten zutraut.
Unterm Strich sicher kein überdurchschnittlicher, aber ein immerhin durchaus sehenswerter "Tatort", zumal Bohns Kamerafrau Cornelia Wiederhold einige ausgesprochen hübsche Winterbilder vom Bodensee gelungen sind. Warum der Film "Das schwarze Haus" heißt, will sich einem allerdings nicht erschließen. Und dass Perlmann die Chefin regelmäßig beim Angeln stört, ist zwar ein ebenso hübscher Drehbucheinfall wie der mehrfache Disput über den Angelschein; andererseits ist kaum zu glauben, dass eine Konstanzer Kommissarin noch nie davon gehört hat, dass man fürs Fischen im Bodensee eine Angelerlaubnis braucht.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).