Auch dieses Jahr gibt es auf dem Markt für elektronische Lesegeräte wieder einen kräftigen Entwicklungsschub: So stellte Online-Buchriese Amazon in den USA neue E-Reader mit Touch-Display vor. Auch in Deutschland gibt es pünktlich zur Frankfurter Buchmesse den ersten deutschsprachigen E-Reader von Amazon für 99 Euro.
Der deutsche Kindle bleibt zwar weit unter den Möglichkeiten der englischsprachigen Modelle, die mit Wifi oder 3G einen Anschluss ans Internet oder das Mobilfunknetz bieten, orientiert sich aber damit an dem eher einfach gehaltenen Angebot von deutschen Unternehmen. So vermarkten Weltbild und Hugendubel die farbigen eBook Reader 3.0 von Trekstor für nur 59 Euro. Sie kennen alle gängigen E-Book-Formate, müssen aber ohne Netzanschlussund Touch auskommen. Vor allem Kinder- und Bilderbücher sollen damit digital vermarktet werden.
Weltbild geht den Markt offensiver an: Bis Weihnachten will der Verlag ein eigenes Tablet-Gerät mit einem Kampfpreis unter 200 Euro herausbringen. Der neue Touch-Reader PRS-T1 von Sony ist bereits seit der ifa-Messe auf dem Markt. Es versteht anders als der Kindle auch das hier weit verbreitete Epub-Format mit und ohne Adobe-Kopierschutz. Kindle-Besitzer können nur Epub-Dateien ohne Kopierschutz lesen, wenn sie diese vorher selbst auf einem Rechner in das Amazon-Format konvertiert haben.
Neues Amazon-Tablet nur in den USA
Es scheint so, als würde Amazon den deutschen Markt vernachlässigen. Das zeigt sich auch an der Ankündigung, das neue farbige Tablet namens Kindle Fire nur in den USA auf den Markt zu bringen. Attraktive 199 US-Dollar soll das Gerät kosten, wobei Amazon jedes Gerät mit 50 Dollar subventionieren soll. Zum Vergleich: Das günstigste iPad kostet zurzeit 499 Dollar.
Amazon greift mit seinen sehr günstigen Geräten offensiv den vom iPad zu 70 Prozent dominierten Markt an und setzt dabei darauf, dass über den Gerätekauf der Absatz bei E-Books und anderen digitalen Inhalten in die Höhe schnellt. Anders als die reinen Gerätehersteller Samsung und Motorola verfügt Amazon nämlich wie Apple über eine Wertschöpfungskette, die sich auch auf Inhalte erstreckt, die bereits von Millionen Kunden genutzt wird. Dazu zählen insbesondere für den Kindle Fire Millionen von Spielfilmen, TV-Sendungen, Musikstücke und Spiele.
E-Reader bleiben in Deutschland rar
E-Reader bleiben aber in Deutschland auch in diesem Jahr noch ein Nischenthema, stellt eine Studie des IT-Branchenverbands Bitkom fest. In diesem Jahr sollen voraussichtlich 232.000 Geräte verkauft werden. Gleichwohl bleiben die Prognosen optimistisch: Eine Forsa-Umfrage unter rund 1.000 Deutschen stellte fest, dass jeder Fünfte erwartet, dass es in zwanzig Jahren nur noch E-Books geben wird.
Doch die aktuellen Verkaufszahlen waren laut einer Studie des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels auch 2010 noch bescheiden: So wurden nur zwei Millionen E-Books verkauft, das sind 0,2 Prozent des Endverbrauchermarkts. In den USA hingegen haben E-Books mittlerweile einen Marktanteil von acht Prozent.
Wo ist der Hemmschuh?
Der Buchhandel schiebt diesen bereits chronischen Entwicklungsrückstand gerne auf das Problem der Raubkopien. Eine Studie, die unter anderem der Börsenverein des Deutschen Buchhandels kürzlich vorstellte, befragte 10.000 Personen in Deutschland. Demnach soll fast die Hälfte der E-Book-Downloader im vergangenen Jahr E-Books illegal über Plattformen wie Rapidshare beschafft haben. Auf 14 Millionen Exemplare insgesamt werden die Downloads geschätzt, das entspricht 18 E-Books pro Nutzer. Dabei ist die Schnittmenge derjenigen, die sowohl illegale wie legale Angebote nutzen, mit sechs Prozent gering.
Experten glauben aber, dass die im Vergleich zum amerikanischen Buchmarkt sehr hohen Preise für E-Books die Bereitschaft, Raubkopien zu nutzen, fördert. So zeigt eine aktuelle E-Book-Studie des amerikanischen O’Reilly-Verlags, dass die durchschnittlichen E-Buchpreise in Frankreich und Deutschland deutlich über den Preisen in Großbritannien und den USA liegen: Während in Deutschland ein Buch durchschnittlich bei 12,66 Euro und in Frankreich gar bei 15,80 Euro liegt, sind es in Großbritannien 9,71 Euro und den USA 10,13 Euro. Schuld daran ist die Buchpreisbindung in Deutschland und Frankreich, denn die britischen und amerikanischen E-Buchpreise orientieren sich deutlich an den heruntergesetzten Buchpreisen.
Es fehlt der digitale Mehrwert
Für die Leser bleiben E-Books zu diesen Preisen jedoch unattraktiv, da sie bislang weder wiederverkauft, noch verliehen werden können. Amazon kündigte kürzlich an, dies ändern zu wollen, aber noch ist es nicht so weit. Hinzu kommt, dass die E-Books auch inhaltlich einen Mehrwert bieten müssen. Bei Fachbüchern, die den E-Book-Markt derzeit deutlich dominieren, besteht der Vorteil in einer einfachen Suche. Außerdem können Leser für eigene Arbeiten per Copy&Paste leichter zitieren. In der Belletristik müssen die Verlage selbst nachliefern: Random House etwa reichert seine "E-Books plus" mit Autoreninterviews oder einem Audiobook an. Bastei Lübbe kündigte jetzt zur Buchmesse den "weltweit ersten digitalen Serienroman" an – mit Illustrationen, Videos und Audios, die in einer App verschmelzen sollen.
Christiane Schulzki-Haddouti lebt und arbeitet als freie Journalistin in Bonn.