Herr Schröder-Klementa, was haben Sie von dem jüngsten Gewaltausbruch mitbekommen?
Thomas Schröder-Klementa: Mitbekommen habe ich das gestern Abend über Fernsehen und Internet, denn das war ja am Nil zwischen Tahrir und Fernsehgebäude, und ich wohne ein Stückchen weiter weg davon, also wahrgenommen habe ich es auch nur über die Medien.
Wer kämpft da gegen wen?
Schröder-Klementa: Das ist eine Frage, die sehr schwierig zu beantworten ist. Ich sage das jetzt unter allem Vorbehalt: Nach dem, was man so mitbekommt, sei es so gewesen, dass eine Demonstration von koptischen Bürgern zum Fernsehgebäude lief, und sie seien schon auf dem Weg dorthin mit Steinen beworfen worden. Hintergrund der Demonstration war, dass in Assuan vor einer oder zwei Wochen eine koptische Kirche angegriffen worden ist. Demonstriert werden sollte für die Forderung nach einem Gesetz, das es erlauben würde, Kirchen zu bauen. So wie ich das jetzt einschätze, sind die Angreifer eher gekaufte Krawallmacher, die mitgekriegt haben, dass es eine Demo gibt und dann eben die Kopten angegriffen haben. Es waren auch nicht nur Kopten, die angegriffen wurden, es waren wohl auch Moslems unter ihnen, die gemeinsam demonstriert haben, wenn ich das so recht wahrgenommen habe.
Werden die Kopten beim Kirchenbau diskriminiert? Dürfen sie keine Kirchen bauen?
Schröder-Klementa: Sie dürfen schon Kirchen bauen. Das Problem ist, dass der Bau einer Kirche aber immer mit einem Genehmigungsverfahren zusammen hängt. Und oft werden diese Genehmigungen nicht erteilt beziehungsweise sehr lange verzögert. Im Moment ist es aber auch so, dass hier in Kairo sehr vieles nicht so verläuft, dass sofort Unterschriften für irgendwas zu bekommen sind.
"Man kann nicht nicht unterscheiden,
wer Moslem und wer Kopte ist"
Wer sind die Angreifer? Wenn ich Sie richtig verstanden habe, sind das nicht unbedingt nicht nur islamistische Fundamentalisten, sondern eher "Krawallmacher".
Schröder-Klementa: Wenn man hier mit Ägyptern spricht, dann sagen die, das sind eher Leute, die gekauft wurden, die Unruhen anzetteln sollen und sozusagen eine Art Destabilisierung versuchen durchzusetzen. Am 29. Januar, nach Beginn der Revolution war das ja auch so, es war ganz deutlich: Da sind irgendwelche Kamelreiter gekommen, die haben dafür Geld bekommen, damit sie auf die Leute einhauen. Das wurde auch zugegeben. Und es wäre nicht unüblich, wenn es jetzt wieder so gewesen wäre. Ich glaube, dahinter stecken alte Kräfte, die sich mit dem Umbruch der Gesellschaft nicht abfinden wollen.
Können Sie erkennen, ob die Kopten sich provokativ verhalten?
Schröder-Klementa: Das kann ich nicht sagen, das habe ich nicht gesehen. Wissen Sie, in den Fernsehaufnahmen kann man nicht unterscheiden, wer ist jetzt da Moslem, wer ist Kopte, das ist überhaupt nicht differenzierbar.
Wie ist der Kontakt der evangelischen Christen zu den Kopten?
Schröder-Klementa: Wir haben koptische Kinder an der Schule, wir haben katholische und evangelische Kinder. Wir pflegen ein gemeinsames Miteinander. In der Gesellschaft, in der wir sind, an unseren Schulen bestehen keine Gegensätzlichkeiten.
Gilt das auch für den Kontakt zwischen Moslems und Christen?
Schröder-Klementa: Also, ich bin ja Christ, und wenn ich in der Stadt bin, bin ich deutlich als Christ zu erkennen, denn Ausländer sind meist nun einmal per se Christen. Aber meine Frau oder wenn wir Freunde hier haben, oder ich, auch wenn ich nicht als Leiter der DEO hier auftrete: Wir sind nie in irgendeiner Weise seit ich hier in Kairo bin abweisend angesprochen oder beleidigt worden. Nicht ein einziges Mal.
"Kooperativer Unterricht ist das beste Signal"
Was können Sie tun, um Ihren koptischen Geschwistern zur Seite zu stehen?
Schröder-Klementa: Wir werden weiterhin hier an der Schule kooperativ Religion für Christen und Moslems unterrichten. Wir halten das für das beste Signal, dass die Religionen gleichberechtigt mit einander agieren sollen und können.
Finden Sie die Berichterstattung über die Demonstrationen und Gewalt in Ägypten ausgewogen?
Schröder-Klementa: Solche Gewaltausbrüche sind fürchterlich, besonders wenn Menschen zu Tode kommen. Aber man muss auch grundsätzlich sagen, dass eine Gefahr für die Menschen, die hier leben, also auch die Europäer, die Nichtägypter, eigentlich für uns in dem Maße nicht erkennbar ist. Natürlich ist es so, dass solche Ausbrüche bis zur Wahl und vielleicht auch noch danach hoffentlich nicht in der Intensität wiederkommen, aber in Deutschland wird manchmal auch sehr einseitig berichtet. Ich will und werde nichts bagatellisieren, es sind ja leider viele Menschen zu Tode gekommen. Aber ich habe es so wahrgenommen, dass die deutsche Presse z. B. damals in der Revolution sehr einseitig berichtet hat - wo wir hier das Gefühl hatten, nicht in Gefahr zu sein. Denn Demonstrieren gehört einfach zum Gesellschaftswandel, auch Massendemonstrationen. Wir hoffen nur, dass sie friedlich bleiben oder es endlich werden.
Thomas Schröder-Klementa ist Schulleiter der Deutschen Evangelischen Oberschule in Kairo.