Strahlende Gesichter und nahezu grenzenloser Optimismus: Die französischen Sozialisten zelebrierten am Wochenende die ersten offenen Vorwahlen in ihrer Parteiengeschichte. Mit François Hollande und Martine Aubry gingen zwei bodenständige, aber international unerfahrene Spitzenpolitiker als klare Etappensieger hervor.
Knapp 2,5 Millionen Franzosen haben sich an den Präsidentschafts-Vorwahlen der französischen Sozialisten beteiligt. Am kommenden Sonntag kommt es nun zum Showdown. Weil kein Kandidat die absolute Mehrheit der Stimmen holte, gibt es eine Stichwahl.
Der Ton zwischen den Kontrahenten dürfte deswegen rauer werden in den nächsten Tagen. Der Sieger der Vorwahlen nach US-Vorbild darf im kommenden Jahr für die Sozialisten ins Rennen um die Präsidentschaft ziehen. Die Chancen stehen gut, dass 16 Jahre nach dem Ende der Amtszeit von François Mitterrand erstmals wieder ein Sozialist Staatschef werden kann. Frankreichs amtierender Präsident Nicolas Sarkozy ist Umfragen zufolge äußert unpopulär. Dennoch gilt es als sicher, dass er im April erneut für das konservativ-rechte Lager antritt.
Bisheriger Favorit: François Hollande
Als bisheriger großer Favorit der Vorwahlen galt François Hollande. Der langjährige Parteivorsitzende (1997-2008) profitierte vom überraschenden Aus für den welterfahrenen Dominique Strauss-Kahn. Er warb in den vergangenen Monaten vor allem mit seiner Bodenständigkeit. Gegner werfen ihm allerdings vor, konfliktscheu zu sein und schwer haltbare Versprechen zu machen. Im Vorwahlkampf versprach er unter anderem 60.000 neue Stellen für den Bildungssektor und ein teures Programm gegen Jugendarbeitslosigkeit.
Privat lebte der in der Normandie geborene Arztsohn lange mit Ségolène Royal zusammen, die ebenfalls bei den Vorwahlen antrat, aber chancenlos blieb. Die Ex fand zuletzt keinen besonders positiven Worte mehr über den 57-jährigen Absolventen der Elite-Hochschule ENA. In einem Interview spottete sie, dass Hollande in 30 Jahren politischer Laufbahn bislang nichts geschafft habe.
"Mutter" der französischen 35-Stunden-Woche: Martine Aubry
Martine Aubry dagegen kämpft seit dem Ausfall von Strauss-Kahn mit dem Image einer "Ersatzfrau". Die 61-Jährige erklärte ihre Teilnahme an den Vorwahlen erst Wochen nach Strauss-Kahns vorübergehender Verhaftung in New York. Mit dem über eine Sexaffäre gestürzten Ex-IWF-Chef verband sie eine Abmachung, nach der nur einer der beiden bei den Vorwahlen antreten sollte. Bis zu der Affäre hatte es keine Zweifel gegeben, dass dies Strauss-Kahn sein würde.
Im Ausland bekannt ist Aubry vor allem als "Mutter" der französischen 35-Stunden-Woche und als Tochter des langjährigen EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors. Was sowohl Aubry, als auch Hollande im Präsidentschaftswahlkampf fehlen könnte, ist die internationale Erfahrung. Gerade vor dem Hintergrund der Schuldenkrise dürfte Sarkozy damit in den kommenden Monaten werben.
Stichwahl am kommenden Sonntag
Bei der Stichwahl am kommenden Sonntag wird indirekt auch über die politische Richtung des sozialistischen Wahlkampfes abgestimmt. Die Programme der beiden Finalisten unterscheiden sich zum Teil selbst in Schlüsselfragen. Im Gegensatz zu Hollande will Aubry langfristig ganz aus der Atomkraft aussteigen. Die derzeitige Bürgermeisterin von Lille hat sich zudem dafür ausgesprochen, die Anhebung des Rentenalters wieder rückgängig zu machen. Von französischen Medien wird sie zuweilen "die linke Angela Merkel" genannt.
Am kommenden Sonntag muss Aubry darauf hoffen, dass sie viele Wähler der am Wochenende unterlegenen Kandidaten auf ihre Seite ziehen kann. Nach Auszählung der meisten Stimmen lag sie am Sonntagabend mit rund 31 Prozent der Stimmen deutlich hinter Hollande, der auf rund 39 Prozent kam.
Dem Regierungslager kann es nach Umfragen relativ egal sein, wer im kommenden Frühjahr für die Sozialisten antritt. Den Meinungsforschern zufolge würden derzeit sowohl Aubry als auch Hollande klar gegen Sarkozy gewinnen. Vielleicht auch um der Opposition ein wenig die Show zu stehlen, vereinbarte der Staatschef für den Sonntagnachmittag ein Spitzentreffen mit Bundeskanzlerin Merkel zur europäischen Schuldenkrise.