Polens Wähler entscheiden: Tusk kann es doch
Die liberalkonservative Bürgerplattform des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk liegt nach Auszählung von fast zwei Dritteln der Stimmen der Parlamentswahlen weiter klar vorn. Weder antideutsche Äußerungen noch verbale Angriffe auf Bundeskanzlerin Merkel haben Polens Oppositionsführer Kaczynski geholfen. Die Polen setzten bei der Parlamentwahl auf Kontinuität und den bisherigen Ministerpräsidenten Tusk.
10.10.2011
Von Eva Krafczyk und Jacek Lepiarz

Gute Aussichten für die deutsch-polnischen Beziehungen: Bei den Parlamentswahlen in Polen zeichnet sich ein deutlicher Sieg der Partei von Ministerpräsident Donald Tusk ab. Unter seiner Regierung hatte sich das deutsch-polnische Verhältnis in den vergangenen vier Jahren spürbar verbessert, seine Beziehung zu Bundeskanzlerin Angela Merkel gilt als freundschaftlich. Als erster Regierungschef seit 1989 wurde Tusk von den Wählern im Amt bestätigt - für den 54-jährigen auch ein Erfolg seiner Modernisierung des Landes und seines pro-europäischen Kurses. Wahlsieger Tusk will sich nicht auf dem Erfolg ausruhen. "Diese vier Jahre werden wir doppelt so stark arbeiten und doppelt so schnell handeln müssen", kündigte er am Sonntagabend vor jubelnden Anhängern an.

Tusk-Partei bei Parlamentswahlen in Polen klar vorn

Die liberalkonservative Bürgerplattform des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk liegt nach Auszählung von fast zwei Dritteln der Stimmen der Parlamentswahlen weiter klar vorn. Wie die Staatliche Wahlkommission am Montagmorgen mitteilte, ist die Tusk-Partei mit derzeit 37,5 Prozent stärkste Kraft im neuen Parlament. Die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit von Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski erhielt 30,6 Prozent der Stimmen in den mehr als 16.500 bisher ausgezählten Wahlbezirken. Hochrechnungen zufolge hätte Tusk eine Mehrheit im polnischen Sejm, wenn er die Koalition mit der Bauernpartei PSL fortsetzt. Die PSL kann derzeit 9,56 Prozent der Stimmen für sich verbuchen.

Interesse an einer Mitarbeit hat auch die Protestpartei Ruch Palikota angedeutet, die auf Anhieb 9,8 Prozent der Stimmen erhielt und drittstärkste Kraft im Parlament ist. Die Bewegung des ehemaligen PO-Politikers Janusz Palikot will den Einfluss der Kirche im Staat zurückdrängen, setzt sich für die Homo-Ehe, freien Zugang zu Verhütungsmitteln und Legalisierung weicher Drogen ein. Der Erfolg der Gruppe, die ohne großes Budget und Fernsehwerbung den Wahlkampf mit bunten Happening-Aktionen prägte, wird als kleine Sensation gewertet. Ersten Auswertungen zufolge konnte sie vor allem junge Wähler und Anhänger der Linken von sich überzeugen. Für das Linksbündnis SLD hingegen war das Wahlergebnis von 8,2 Prozent eine große Enttäuschung.

Kaczynski bleibt Oppositionsführer

Der Erfolg der Palikot-Bewegung heißt aber auch: Jeder zehnte Wähler ist mit den etablierten Parteien unzufrieden und hat ihnen den Rücken gekehrt - ein Alarmsignal nicht nur für die PO, sondern auch für die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Deren Vorsitzender Jaroslaw Kaczynski bleibt nun Oppositionsführer. Die Wahlkampfpolemik gegen "Donald-er-kann-es-nicht-Tusk" ist gescheitert. Die polnischen Wähler entschieden: Tusk kann es doch.

Kaczynski, der von seinen Anhängern wie ein Sieger umjubelt wurde, zeigte sich jedoch auch in der Niederlage ungebrochen. "Der Tag des Sieges wird kommen", versprach er seinen Anhängern. "Wir halten an unserer Überzeugung fest, dass Polen tiefgreifende Veränderungen braucht. In den kommenden vier Jahren werden wir weitere Millionen von Polen davon überzeugen."

Für Kaczynski, dessen Zwillingsbruder - der polnische Staatspräsident Lech Kaczynski - im vergangenen Jahr bei der Flugzeugkatastrophe in Smolensk ums Leben kam, geht es dabei auch um das Vermächtnis der Arbeit mit seinem Bruder.

Erste Koalitionsgespräche am Montag

Palikot zeigte nach dem Sensationserfolg der Protestpartei gleich Lust auf Teilhabe an der Macht. "Es wäre merkwürdig, wenn der Regierungschef nicht berücksichtigte, dass Millionen Polen für das Programm der Ruch Palikota gestimmt haben", sagte er nach der Wahl selbstbewusst. "Er sollte (bei Koalitionsgesprächen) mit der Bewegung anfangen - aber das ist seine Sache, weil er die Wahl gewonnen hat und die Verantwortung übernehmen muss."

Tusk selbst hatte vor der Wahl angekündigt, er werde keine Koalition mit einer Partei eingehen, die Drogen propagiere. Die Palikot-Bewegung ist für die Legalisierung weicher Drogen. Dass Tusk nach eigenem Eingeständnis als Student auch mal gelegentlich gehascht hat, ändert an seiner heutigen Haltung zur Drogen-Freigabe nichts.

Erste Gespräche über die künftige Regierungskoalition sollen am Montag beginnen. Klar ist aber bereits, dass es in der neuen Regierung eine Reihe neuer Gesichter geben wird: Für den Fall eines Wahlsiegs hatte Tusk bereits angekündigt, nur fünf der bisherigen Minister würden auch im neuen Kabinett mit arbeiten. Weiter mit dabei werden Außenminister Radoslaw Sikorski und Finanzminister Jacek Rostowski sein.

dpa