Tote und Verletzte bei religiösen Unruhen in Kairo
Szenen wie im Bürgerkrieg: Eine zunächst friedliche Demo koptischer Christen gegen einen Brandanschlag radikaler Muslime auf eine Kirche eskaliert in Kairo in Gewalt. 24 Menschen sterben Medienberichten zufolge in einer Straßenschlacht, mehr als 200 werden verletzt.

Acht Monate nach dem Sturz von Präsident Husni Mubarak ist es in Ägypten erneut zu schweren religiösen Unruhen gekommen. Mindestens 24 Menschen kamen nach Angaben des Gesundheitsministeriums bei Straßenschlachten zwischen koptischen Christen und Sicherheitskräften im Zentrum Kairos ums Leben, berichteten arabische Medien in der Nacht zum Montag. Mehr als 200 weitere sollen verletzt worden sein. Die Militärführung verhängte eine nächtliche Ausgangsperre über Teile der Hauptstadt.

Auslöser der Gewalt unklar

Entzündet hatte sich die Gewalt an einer zunächst friedlichen Demonstration, bei der rund 2.000 koptische Christen gegen einen Brandanschlag radikaler Muslime auf eine Kirche im Süden des Landes protestierten. Bereits im März hatte es in Kairo einen Ausbruch religiös motivierter Gewalt gegeben. Damals starben 13 Menschen. Auslöser war ebenfalls Brandstiftung in einer Kirche.

Am Sonntagabend gerieten die Demonstranten vor dem Gebäude des staatlichen Fernsehens mit Bewohnern der umliegenden Wohnviertel und dem Militär aneinander. Die Darstellungen über den Auslöser der Gewalt gingen auseinander.

Nach Schilderungen des ägyptischen Fernsehens schossen zuerst Demonstranten auf Soldaten und bewarfen sie mit Steinen. Außerdem seien mehrere Autos und Busse in Brand gesetzt worden. Dagegen berichteten koptische Demonstrationsteilnehmer den Reportern der Webseite "almasryalyoum", dass zunächst sie beschossen worden seien, als ihr Marsch den Platz vor dem Fernsehgebäude erreicht habe.

Zwei Panzerspähwagen der Armee seien mitten in die Menge gefahren, berichteten Augenzeugen. Dabei seien mehrere Demonstranten überrollt und getötet worden.

Islamisten distanzieren sich von Gewalt in Kairo

Radikale Muslime in Ägypten haben eine mögliche Schuld für den Gewaltausbruch im Zentrum der Hauptstadt Kairo von sich gewiesen. Man verurteile, was geschehen ist, erklärte ein Sprecher der sogenannten Salafisten-Bewegung am Montag.

Die oppositionelle Jugendbewegung 6. April, die im vergangenen Winter und Frühjahr maßgeblich die Proteste gegen das alte Regime mitorganisiert hatte, wertete die Eskalation in Kairo als Versuch, "den friedlichen Charakter der Revolution" zu zerstören. An den Massendemonstrationen, die zum Sturz von Präsident Husni Mubarak geführt hatten, waren auch Angehörige der christlichen Minderheit beteiligt gewesen. Viele koptische Christen, die auch unter Mubarak schon über Diskriminierung geklagt hatten, treibt jedoch die Sorge um, dass ihr Staat unter dem Einfluss der Muslimbruderschaft jetzt "islamisiert" wird.

"Verschwörung gegen Ägypten" - Ausgangssperre nach Unruhen

Die regierende Militärführung verhängte eine fünfstündige Ausgangssperre über die Innenstadt Kairos. Wie das staatliche Fernsehen berichtete, galt sie von 2.00 Uhr in der Nacht bis 7.00 Uhr am Montagmorgen.

Nach Berichten des arabischen Nachrichtensenders Al-Dschasira dauerten die Auseinandersetzungen noch kurz vor Beginn der Ausgangssperre an. Schlägertrupps, bei denen es sich um radikale Muslime gehandelt haben soll, hätten versucht, ein koptisches Krankenhaus im Stadtzentrum zu stürmen, hieß es.

Ministerpräsident Essam Scharaf verurteilte die Ausschreitungen als "unnötige Gewalt". In einer nächtlichen Fernsehansprache habe er die Vorgänge als "Verschwörung gegen Ägypten" bezeichnet, berichtete eine Al-Dschasira-Korrespondentin aus Kairo. Es gebe den Verdacht, "dass Kräfte von innen und außen versuchen, die Demokratie in Ägypten zu unterminieren", erklärte Scharaf demnach. "Diese Ereignisse werfen uns zurück." Das Kabinett sollte am Montag in einer Sondersitzung über die Ausschreitungen beraten.

In Ägypten kommt es immer wieder zu gewalttätigen Konflikten zwischen Kopten und Muslimen. Die Kopten stellen etwa zehn Prozent der Bevölkerung. Sie werden bei der Erteilung von Baugenehmigungen für Kirchen diskriminiert.

dpa