Mittlerweile hat der Verlag Condé Nast in England, Italien und Japan eigene Ausgaben herausgebracht. Überall drehen sich die Themen der Zeitschrift um die digitale Welt. Fast zeitgleich mit der deutschen Printausgabe ist eine deutsche App online gestellt worden.
Passt in keine klassische Schublade
"Es ist schade, dass es erst so spät kommt. Habe das in den letzten Jahren immer bedauert, dass es erst keine deutsche Fassung gab", sagt der Mediaberater Dirk Engel von der Media-Agentur Universal McCann in Frankfurt und ist Dozent am Institut für Publizistik an der Johannes Gutenberg Universität-Mainz. "Wired" passe nicht in eine der klassischen Schubladen – deshalb habe sich bislang keiner an ein solches Blatt heran getraut. Es sei keine Computer- und IT-Zeitschrift, keine Livestyle-Zeitung für Männer. Auf dem deutschen Markt habe bislang ein Magazin gefehlt, das sich mit dem Internet als kulturellem Phänomen beschäftigt und auch Wirtschaft und Kultur damit verbinde. Zeitschriften wie "uMag" seien "nicht massentauglich und esoterisch", so Engel.
Die Kommentare auf der "Wired"-Internetseite zeigen, bei vielen Lesern kommt das Magazin an: "Super, dass es Wired jetzt auch in Deutsch gibt – habe bisher schon immer die US-Version auf dem iPad gelesen". Ein anderer Leser schreibt: "Ich hoffe auf weitere Ausgaben, da würde ich ernsthaft über mein allererstes Abo überhaupt nachdenken".
Die Textlänge löst Kritik aus
Aber es gibt auch Kritik an der deutschen Magazinausgabe: "Mancher Artikel hätte auch länger und ausführlicher sein können", heißt es in einem Leser-Kommentar. Mit dieser Meinung steht er nicht allein da.
Dirk Engel, Mediaberater. Foto: privat
In den Medien wird dies ebenfalls moniert, so zum Beispiel bei "sueddeutsche.de": "Optik und Design gelungen. Der Rest übt noch", heißt es dort. "Spiegel Online" schreibt: "Interessant sind die längeren eigenen Geschichten." Das habe "Wired" immer ausgezeichnet. "Die groß und schön aufgeschriebenen, aufwendig recherchierten Reportagen und Features über Themen, die anderswo nicht oder kaum stattfinden." Nur: hier seien sie nicht groß aufgeschrieben, sondern klein.
Für den Mediaberater Engel gibt es kaum Unterschiede zwischen dem Muttermagazin aus den USA, der Zeitschrift aus Großbritannien und der deutschen Ausgabe. Der erste Teil bestehe hauptsächlich aus kleineren Elementen und Gadgets. Im zweiten Teil wirkten die deutschen Artikel eher wie in einer klassischen Zeitschrift, etwas länger als sonst bei "Wired" üblich und das Design der Seiten ist "etwas konventioneller".
Wobei Engel dies begrüßt: "Denn zu viel Design macht das Magazin unübersichtlich." Inhaltlich hat der Mediaberater den Eindruck, dass auch die Themenauswahl etwas konservativer ist, als in den amerikanischen und britischen Ausgaben. Dort schreibe die Avantgarde der Internetkultur. "Das ist in Deutschland noch nicht so."
Mittlerweile eine übliche Strategie
Bislang hat der Verlag nur eine Ausgabe der deutschen "Wired" geplant. In der Branche kein ungewöhnlicher Schritt. Ähnlich ist auch Gruner und Jahr bei der Einführung der Männer-Zeitschrift "Beef" vorgegangen. So können die Herausgeber den Markt überprüfen, ohne den Druck, zu einem festgesetzten Termin weitere Ausgaben veröffentlichen zu müssen. Hinzukommt, dass es in Deutschland schon zahlreiche Zeitschriften gibt. "Jedes neue Magazin ist also ein Investment, ein Risiko", so Engel. Condé Nast habe wahrscheinlich aus der eigenen Geschichte gelernt. Der Verlag hat "bei 'Vanity Fair' die genau gegenteilige Strategie gefahren. Da hat man gesagt, powern wir von Anfang an durch, machen eine riesige Werbekampagne", so Engel. Doch der Versuch, "Vanity Fair" in Deutschland zu etablieren, scheiterte.
Außerdem sei die deutsche Szene der potenziellen "Wired"-Leser viel kleiner als die amerikanische und wahrscheinlich auch die britische. Da stelle sich die Frage: "Haben die eine so eigene Weltsicht, dass es für eine deutsche Ausgabe genug Leser gibt" – und auch Themen? Bei ausländischen Ausgaben bestehe der Reiz zusätzlich darin, sich die Szene in New York, San Fransisco, Barcelona London anzugucken. "Aber es ist immer gut, etwas auf Deutsch zu lesen." Dennoch würde Dirk Engel jeden Monat überlegen, welche Ausgabe er sich kaufen würde – die englische oder die deutsche. Entscheidend für ihn ist: "Interessiert mich mehr der Blick über den Teich und bekomme ich die interessanten deutschen Themen nicht auch über andere Kanäle heraus."
"Wired hat in Deutschland eine Chance"
Eine deutsche "Wired" wäre für Dirk Engel eine Bereicherung des hiesigen Zeitschriftenmarktes. Doch das Magazin wird es nicht leicht haben, da ist sich der Mediaexperte sicher. "Die haben durchaus eine Chance ein Zeitgeistblatt wie früher 'Tempo' oder heute 'Neon' zu werden, die den Zeitgeist repräsentieren." Dafür müssen die Leser rund um die Internetkultur erreicht werden. Es könnte jedoch sein, dass diese mit den vorhandenen Angeboten schon bedient sind. Es komme nun darauf an, die richtigen Redakteure, Kolumnisten, Interviewpartner zu finden. "Das ist eine große Herausforderung." Ganz wichtig sei aber auch, dass "Wired" ein Designprodukt ist – das Magazin könnte auch in Deutschland ein sogenanntes "Coffee Table Book" werden (eine Zeitschrift, die repräsentativ auf einen Tisch gelegt wird).
Der Chefredakteur der ersten deutschen "Wired"-Ausgabe, Thomas Knüwer, wollte sich gegenüber evangelisch.de nicht zu einem bisherigen Erfolg oder Misserfolg des Magazins äußern, das am Kiosk als Einzelexemplar 3,80 Euro kostet. Ob es den Ableger des amerikanischen Kultmagazins künftig weiter geben wird, ist offiziell weiter unklar. Mediaexperte Dirk Engel drückt "den 'Wired'-Leuten die Daumen, dass sie das hinbekommen".
Rosa Legatis arbeitet als freie Journalistin in Hannover.