In Ihrer Amtszeit gab es gleichermaßen Abbau, wie etwa bei Mitgliederzahlen und Finanzkraft, wie auch Wachstum, etwa die 13 neuen Kirchen, die Sie einweihen konnten. Was hat für Sie in der Rückschau überwogen?
Friedrich: Auch nach kritischer Prüfung fällt meine Bilanz positiv aus. Unsere Kirche ist sehr stabil, wir haben keine ganz großen Streitpunkte und keine tiefgehenden Strukturreformen, die die Menschen erschüttern. Als großes Glück empfinde ich, dass uns die finanzielle Konsolidierung bis zum Jahr 2006 gelungen ist. Genauso wichtig war, dass wir nicht der Versuchung erlegen sind, durch die inzwischen wieder gestiegenen Kirchensteuer-Einnahmen zusätzliche dauerhafte Verpflichtungen einzugehen. Denn in fünf oder sechs Jahren wird der Stand des Kirchensteueraufkommens wieder auf das Niveau von 2005 zurückgefallen sein. Stattdessen haben wir mit den zusätzlichen Einnahmen zukunftssichernde Maßnahmen finanziert.
Diese erfolgreichen Konsolidierungen beziehen sich ja aber in erster Linie auf die äußere Gestalt der Kirche.
Friedrich: Das ist zwar völlig richtig. Richtig ist aber auch, dass die Kirche nur dann mit voller Kraft ihrer Kernaufgabe, nämlich der Verkündigung der biblischen Botschaft in die Welt hinein, nachkommen kann, wenn ihre Zeit und Energie nicht von Struktur- und Finanzdiskussionen aufgesogen werden. Eine funktionierende Struktur ist ja die unverzichtbare Basis für die kirchlichen Kernaufgaben.
Zu den Kernaufgaben gehört wohl auch, wie Sie erst kürzlich betont haben, dass die evangelische Kirche eine "Kirche der Freiheit" sein muss. Wie kann sie das in der heutigen Gesellschaft sein?
Friedrich: Wir müssen deutlich machen, dass Gott niemand ist, der den Menschen enge Grenzen setzt, Befehle und Vorschriften gibt. Deshalb müssen wir als Kirche auch so handeln, dass wir den Menschen nicht starre Gesetze auferlegen, sondern die Fülle der Liebe Gottes verkündigen. Zu dieser Freiheit gehört dann auch, dass sich Christen nicht bedrängen lassen müssen von allen möglichen gesellschaftlichen Zwängen, wie etwa den Konsum-Aufforderungen. Sie sind vielmehr frei für das eigentlich Wichtige in ihrem Leben. Das umfasst dann auch die Zuwendung zum Mitmenschen.
Diese Freiheit braucht aber auch konkrete Freiräume wie den Sonntagsschutz.
Friedrich: Das gehört ganz unbedingt dazu. Die Menschen brauchen Frei- und Ruheräume, damit sie nicht in Hektik oder dem gesellschaftlichen Trott untergehen und sich wieder auf sich selbst, ihre Familie und die für sie wichtigen Werte besinnen können.
Neben schönen Momenten wird es in Ihrer Amtszeit aber wohl auch negative Vorkommnisse gegeben haben, auf die Sie vielleicht gerne verzichtet hätten?
Friedrich: Diese Negativposten kann ich zum Glück an einer Hand aufzählen - die Finanzaffäre in München gleich zu Beginn meiner Amtszeit, die Diskussionen um den Windsbacher Knabenchor, die Affäre Bierlein bei den Rummelsberger Anstalten und natürlich die Vorgänge, die mit Bischof Meiser und dessen Rolle in der NS-Zeit verbunden waren.
Bei den Umbenennungen der Meiserstraße haben Sie auch selbstkritisch von eigenen Versäumnissen gesprochen. Wo gab es Regiefehler?
Friedrich: Es war eine Fehleinschätzung, die Diskussion in Nürnberg als rein lokale Angelegenheit zu behandeln. In dieser ersten Phase wäre ein Bischofswort von mir wichtig gewesen. Auf der anderen Seite wollte ich keine öffentliche Auseinandersetzung mit dem Vorsitzenden der Nürnberger Israelitischen Kultusgemeinde, den ich gut kenne und schätze. Bei der Umbenennung eines Hauses der kirchlichen Augustana-Hochschule hätte ich deutlich machen sollen, dass ich zwar die Eigenständigkeit der Hochschule respektiere, aus inhaltlichen Gründen aber gegen eine Umbenennung bin. Unter dem Strich halte ich die Umbenennungen der Meiserstraße, vor allem in München, für die bitterste Niederlage meiner Bischofszeit.
Welche roten Linien zogen sich wie Ihr Einsatz für die Aussöhnung von Christen und Juden durch Ihre Amtszeit?
Friedrich: Schon früh lag mir die Überwindung von allen Formen des Antijudaismus und Antisemitismus sehr am Herzen. Ich bin entsetzt, welche bösen Vorurteile es in unserer Kirche auch heute noch gegenüber Juden gibt. Deshalb müssen wir immer und immer wieder deutlich machen, dass die Juden unsere Glaubensgeschwister sind. Ich bin zuversichtlich, dass diese Verbindung im nächsten Jahr auch in der Kirchenverfassung der bayerischen Landeskirche festgeschrieben wird. Mit dem Engagement gegen Antisemitismus geht für mich mein Eintreten gegen Rechtsextremismus einher. Ich freue mich sehr, dass das von mir angeregte Bayerische Bündnis für Toleranz wächst. Wir haben jetzt einen Förderverein für dieses Bündnis gegründet, dessen Vorsitzender ich auch noch nach meiner Bischofszeit sein werde. In der Politik sehe ich als rote Linie für die Kirche, dass sie bei ethischen Themen, wie dem Schutz des Lebens von seinem Anfang bis zu seinem Ende, deutlich und kompromisslos ihre Stimme erheben muss. Diese Aufgabe hat uns Gott ganz klar gestellt, deshalb sind das Positionen, die für uns nicht verhandelbar sind.
Ein wichtiges Dauerthema war für Sie wohl auch die Ökumene. Zu Beginn Ihrer Amtszeit ließ Ihr Vorschlag aufhorchen, der Papst könne unter bestimmten Bedingungen Sprecher der gesamten Christenheit sein. Erst kürzlich sind Sie dem Papst persönlich begegnet.
Friedrich: Insgesamt bin ich von der Ökumene mit der katholischen Kirche überhaupt nicht enttäuscht. Wie eine Evaluation gezeigt hat, sind vom Ökumenischen Kirchentag in München nachhaltige Impulse für die Gemeinden und die kirchlichen Einrichtungen ausgegangen. Das Vertrauen zwischen den kirchenleitenden Personen auf beiden Seiten ist in großem Umfang gewachsen, was sich vor allem in Konfliktsituationen bewährt. Ich werde auch nicht müde zu betonen, dass ein gemeinsames Abendmahl nicht zum alleinigen Gradmesser für Erfolg oder Misserfolg der Ökumene gemacht werden sollte. Nicht viel weiter gekommen sind wir in den Lehrgesprächen über die grundsätzlichen, trennenden theologischen Fragen. Dort sind wir bei dem Grundsatzproblem des unterschiedlichen Amtsverständnisses angekommen, das nicht unter Zeitdruck gelöst werden kann.
Zur religiösen Realität in Deutschland gehört inzwischen auch der Islam.
Friedrich: Deshalb bin ich absolut dafür, dass die Muslime die Möglichkeit haben, ihren Glauben angemessen zu leben, also nicht in Hinterhöfen, sondern in Moscheen, die im öffentlichen Raum sichtbar sind. Dabei würde ich mir sehr wünschen, dass Muslime, die in Deutschland ihre Religion ohne Einschränkung praktizieren können, in ihren Heimatländern wiederum dafür eintreten, dass dort auch Christen diese Möglichkeit zugestanden wird. Klar muss aber auch sein, dass Christen und Muslime nicht dieselbe Gottesvorstellung haben. Für einen Muslim ist etwa unsere Gottesvorstellung eines barmherzigen Gottes, der Dreieinigkeit und eines Gottes, der am Kreuz gestorben ist, völlig undenkbar. Ein gemeinsames Gebet mit Muslimen kann es daher nicht geben.
Gibt es Hobbys, die während ihrer Amtszeit bisher zu kurz gekommen sind?
Friedrich: Das ist ohne Zweifel die Musik. Mein Cello habe ich in den letzten zwölf Jahren kein einziges Mal aus dem Kasten geholt. Früher habe ich viel Quartett gespielt, das will ich jetzt wieder tun und hoffe sehr, dass es auch gelingt.