"Das Ende einer Maus ist der Anfang einer Katze", 12. Oktober, 20.15 Uhr im Ersten
Die klassische Geschichte des arglos-unbescholtenen Zeitgenossen, der in eine Sache gerät, die zwei Nummern zu groß für ihn ist: Der Hanauer Gerichtsvollzieher Erol Ozak hat regelmäßig die schlechtesten Ergebnisse aller hessischen Vollstreckungsbeamten. Vergeblich versucht Erol, eine junge Auszubildende von seiner Philosophie zu überzeugen, hinter jeder Pfändung stecke ein menschliches Schicksal: "Wo nix ist, ist auch nix zu holen." Trotzdem verhallen die mahnenden Worte seines Chefs nicht ungehört: Erol nimmt sich vor, gieriger zu werden; mit ungeahnten Folgen.
Hilmi Sözer ist eine wunderbare Besetzung für die von Stefan Kornatz ("Sklaven und Herren") ersonnene Hauptfigur: ein freundlicher Mitmensch, der zu gut für diese Welt ist; und für seinen Beruf sowieso. Ausgerechnet Erol gerät zwischen die Fronten: Seine Auszubildende entdeckt bei einem Steuersünder eine Tasche voller Banknoten, plötzlich ist eine Pistole im Spiel, es kommt zu einem Handgemenge; und dann ist die junge Frau tot. Erol flieht in Panik mit seinem Auto und überschlägt sich. Als die Polizei eintrifft, ist das Geld weg.
Von der beschaulichen Provinzgeschichte zum Gangsterfilm
Unversehens wandelt sich die beschauliche Provinzgeschichte erst zum Krimi und dann zum Gangsterfilm, denn mit dem Auftauchen zweier eiskalter Geldeintreiber, die im Auftrag eines Frankfurter Mafioso die verschwundene halbe Million finden sollen, steigert sich schlagartig auch die Mordrate. Während um ihn herum Ganoven und Polizisten sterben, übersteht Erol wie durch ein Wunder alle Schusswechsel unversehrt. Überdies lernt er die zwar etwas undurchsichtige, aber äußerst reizvolle Nachbarin Monica (Maren Eggert) kennen, nicht ahnend, dass auch sie gemeinsam mit seinem schmierigen Schwager (Hans-Jochen Wagner) in krumme Geschäfte verwickelt ist. Dass sich die Ereignisse immer wieder mal überschlagen, steht allerdings in deutlichem Kontrast zur Regie: Kornatz nimmt sich viel Zeit für seine Figuren. Während die Gangster Erol zwingen, irgendwie das Geld aufzutreiben, und der Druck von allen Seiten übermächtig wird, entwickelt der Gerichtsvollzieher eine fast überlebensgroße Selbstgewissheit; die Gelassenheit, mit der Kornatz den Film inszeniert, ist also durchaus angebracht.
"Das Ende einer Maus ist der Anfang einer Katze" lebt vor allem von der wunderbaren Hauptfigur, der liebevoll entworfene und treffend besetzte Nebenrollen (Alexander Beyer, Alexander Held, Arnfried Lerche) zur Seite gestellt wurden. Noch schöner sind nur die grotesken Momente, in denen der Film fast parodistische Züge annimmt. Höhepunkt in dieser Hinsicht ist ein Seminar zur Konfliktbewältigung. Als im Rollenspiel eine Auseinandersetzung imitiert werden soll, trifft Erol auf Ali Kaan (Kida Khodr Ramadan), den Mann, dem er das Geld abgenommen hat. Der ist natürlich stinksauer und wird handgreiflich; prompt sind die anderen Teilnehmer beeindruckt, wie lebensecht er seine Rolle verkörpert.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).