"Amigo - Bei Ankunft Tod", 10. Oktober, 20.15 Uhr im Zweiten
Vordergründig ist dieser Film ein Krimi: Zwei Beamten des Bundeskriminalamts (Jürgen Prochnow, Florian David Fitz) haben in Neapel den Ex-Terroristen Amigo Steiger (Tobias Moretti) aufgestöbert. Der Mann kann durch einen Kanal entkommen. Als der jüngere Polizist ihn stellen will, trifft eine Kugel seine Wirbelsäule. Steiger flieht nach Hamburg, denn dort leben die einzigen drei Menschen, die seinen italienischen Zufluchtsort kannten.
Lars Becker, der mit "Amigo" seinen bereits 1991 erschienenen Roman verfilmt hat, wechselt immer wieder die Perspektive, so dass sich auch die Sympathien verteilen. Tobias Moretti verkörpert den Terroristen ohnehin als braven Biobauern, den die bösen Geister der Vergangenheit heimsuchen. Auch Jürgen Prochnow darf als ansonsten kühl und gefühllos kalkulierender Gangsterjäger Kovacs menschliche Schwächen zeigen: Der BKA-Mann hat eine tief verwurzelte Abneigung gegen enge geschlossene Räume und muss mehrfach die vom Angstschweiß durchnässten Hemden wechseln. Als junger und vermeintlich unbekümmerter Ermittler mit der großen Klappe lädt Fitz ohnehin zur Identifikation ein.
Die ehemaligen Komplizen leben ein bürgerliches Leben
Interessant sind auch die Figuren der ehemaligen Komplizen Steigers. Sie haben eine bürgerliche Laufbahn eingeschlagen, der eine als Verleger (August Zirner), Lebensgefährte von Amigos früherer Freundin Maxime (Ina Weisse) und Ziehvater von Rio (Kostja Ullmann), dem Sohn der beiden; der andere als Anwalt (Uwe Ochsenknecht), der den alten Kumpan kalt lächelnd ins Messer laufen lässt. Der Kreis schließt sich, als die Polizei beim rebellischen Rio eine Waffe findet, mit der vor zwanzig Jahren der Chef der europäischen Zentralbank und sein Fahrer erschossen worden sind.
Durch die zusätzlichen Figuren wirkt die Geschichte allerdings auch etwas überfrachtet. Dennoch zeichnet sich der Film nicht durch jene Handlungsdichte aus, wie sie so typisch für Beckers "Nachtschicht"-Reihe ist. Trotzdem ist "Amigo" schon allein der Darsteller wegen sehenswert (in Gastrollen: Martin Brambach als Richter, Maren Eggert als Polizeipsychologin). Auch die Italiener (Luca Ward als Kommissar aus Neapel) sind bestens besetzt und mehr als bloß Stichwortgeber: Amigos schöne Freundin Carlotta (Giada Desideri), einst bei den Roten Brigaden, muss sich als Wirbelspezialistin ausgerechnet um Kovacs angeschossenen jungen Kollegen kümmern. Natürlich weiß sie, wen sie da unterm Messer hat; und hat doch keine Ahnung.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).