"Beate Uhse", 9. Oktober, 20.15 Uhr im Zweiten
Mit dem Namen Beate Uhse verbinden die Deutschen zweierlei: Sex und Geld. Dank ihres untrüglichen Geschäftssinns erkannte die Witwe und passionierte Pilotin nach dem Krieg, dass vor allem Frauen großen Nachholbedarf in Sachen Aufklärung hatten. Ihre entsprechende Broschüre "Schrift X" wurde ein Bestseller. Innerhalb weniger Jahre baute sie eine florierende Firma auf.
Der 111 Minuten lange Film "Beate Uhse", der Titelzusatz "Das Recht auf Liebe" deutet es an, stellt seine Heldin in etwas anderem Licht dar: Im Drehbuch von Timo Berndt wird die clevere Kauffrau zur Streiterin für die Wonnen der körperlichen Liebe. Das war Uhse sicher auch, doch Berndt unterstellt ihr darüber hinaus einen fast missionarischen Eifer. Für die kaufmännische Seite steht vor allem ihr Mann (Hans-Werner Meyer), der Uhse später mit dem Kindermädchen (Rike Schmid) betrügt. Dass die ehrgeizige Unternehmerin auch Pornografie produziert hat, wird kurzerhand unterschlagen. Immerhin verhindert die bodenständige Verkörperung durch Franka Potente, dass die Erotika-Händlerin vollends zur Mutter Teresa des Ehebetts wird.
"Das Recht auf Liebe" im Untertitel
Zweites Manko ist das Misstrauen in die Stärke des Stoffs: Die Hauptfigur erzählt ihr Leben in mehreren Rückblenden. Auf diese Weise wirkt die Handlung zwar weniger sprunghaft, weil der Film zwischendurch immer wieder in die "Gegenwart" der frühen Siebziger zurückkehrt; daher ist diese Struktur auch legitim. Aber dann hätten die Rückblenden harmonischer in die Rahmenhandlung integriert sein müssen; oder umgekehrt (Regie: Hansjörg Thurn). Unglücklich ist zudem die Wahl des Zuhörers: Der Brite Ray Fearon bleibt als Uhses späterer Ehemann völlig farblos.
Trotzdem ist der Film fesselnd, weil er natürlich viel über das prüde Klima der jungen Bundesrepublik erzählt. Und weil neben Potente zwei Großmeister der Schauspielkunst am Werk sind: hier Sylvester Groth als Staatsanwalt, ein Kämpfer für Anstand und Moral, der Uhse ein ums andere mit dem Unzuchtparagrafen 184 das Leben schwer macht; dort Henry Hübchen als mit allen Wassern gewaschener Justitiar der Firma, der immer wieder Auswege findet. Wäre "Beate Uhse" ein Kinofilm, die beiden allein wären das Eintrittsgeld wert. Dass dem Staatsanwalt ein Sexproblem angedichtet wird, weshalb er umso gnadenloser gegen die Fleischeslust zu Felde zieht, ist zwar ein etwas billiger dramaturgischer Kniff, aber erfahrungsgemäß nicht aus der Luft gegriffen.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).