Evangelischer Bund: Treffen mit Papst keine Sternstunde
Die Begegnung des Papstes mit Vertretern der evangelischen Kirche in Erfurt war nach Einschätzung des Evangelischen Bundes "keine Sternstunde der Ökumene". Auch künftig werde man in der Ökumene zwischen Erwartungen und Wünschen differenzieren müsse, bilanzierte Generalsekretär Walter Fleischmann-Bisten in seinem ökumenischen Lagebericht vor der Mitgliederversammlung des Bundes am Donnerstag in Hofgeismar. "Erwartungen können und müssen auch enttäuscht werden. Wünsche haben einen langen Atem", ergänzte der evangelische Theologe.

Beim Ökumene-Treffen am 23. September im Erfurter Augustinerkloster hatte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) die katholische Seite zur gemeinsamen Feier des Reformationsjubiläums 2017 eingeladen und dazu aufgerufen, aus diesem Anlass Wege der Aussöhnung zu gehen. In sechs Jahren will die EKD an den 500. Jahrestag des Thesenanschlags Martin Luthers (1483-1546) an die Schlosskirche in Wittenberg erinnern. Das Ereignis markiert den Beginn der Reformation.

Fleischmann-Bisten sagte, die These der früheren EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann, sie erwarte von diesem Papst nichts in der Ökumene, sei durch den Besuch bestätigt worden. Erwartungen vor dem Treffen, dass es zu Fortschritten beim gemeinsamen Abendmahl, Erleichterungen für konfessionsverschiedene Paare bei der eucharistischen Gastbereitschaft, zur Lockerung des Pflichtzölibats oder zur Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Eucharistie komme, hätten keine Erfolgsaussichten gehabt, sagte der Generalsekretär.

"Gegen Grundlagen reformatorischer Theologie"

Die bekannten theologischen Gegenargumente katholischer Fachleute fänden in Rom wenig Gehör, so Fleischmann-Bisten weiter. Auch sei zu berücksichtigen, dass sich Papst Benedikt XVI. mehrfach klar gegen die Grundlagen der reformatorischen Theologie und deren gesellschaftliche Folgen ausgesprochen habe. Von daher sei es ehrlich gewesen, dass Benedikt XVI. bereits vor seinem Deutschlandbesuch die Erwartungen gedämpft habe.

Fleischmann-Bisten widersprach auch Überlegungen, der Papst könnte "Sprecher der Christenheit" fungieren. "Das Papstamt ist von seiner historischen Entwicklung her und wegen der von keiner anderen Kirche geteilten Machtfülle für eine solche Funktion ganz und gar ungeeignet", sagte der Ökumene-Experte. Wenn die römisch-katholische Kirche eine solche Sprecherfunktion für die gesamte Christenheit wirklich anstrebe, müsse sie zunächst einschlägige Bestimmungen des Kirchenrechts außer Kraft setzen und Mitglied im Weltkirchenrat werden, argumentierte Fleischmann-Bisten.

Der Evangelische Bund wurde vor 125 Jahren in Erfurt gegründet und ist das konfessionskundliche und ökumenische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland. Seine Aufgabe ist, die konfessionellen, ökumenischen und weltanschaulichen Strömungen aufzuarbeiten und zu einem Urteil aus evangelischer Sicht beizutragen. Der Evangelische Bund ist Träger des Konfessionskundlichen Institutes in Bensheim.

epd