Ägyptens Traum: Ein Friedensnobelpreis für die Revolution
An diesem Freitag wird der Friedensnobelpreis vergeben. Möglicherweise nach Ägypten: Dort wäre der Preis für die jugendlichen Aktivisten der Revolution ein riesiger Motivationsschub. "Die Leute sollen stolz sein auf ihr Land", sagen sie.
05.10.2011
Von Julia Gerlach

Mit Farbeimer und Pinsel ziehen drei Mädchen durch die Straßen ihres Dorfes im Nildelta und malen bunte Blumen und ägyptische Flaggen auf graue Mauern. "Wir wollen etwas tun, damit die Menschen merken, dass die Revolution auch ihnen gehört", sagt die 14-jährige Minna, eine Schülerin mit Kopftuch, während sie auf den Beton pinselt. Die Begeisterung der Demokratiebewegung hat merklich nachgelassen. Deshalb hoffen die Aktivisten auf den Friedensnobelpreis, dessen Empfänger am Freitag bekanntgegeben wird.

In den Tagen nach dem Sturz von Präsident Hosni Mubarak im Februar zogen im ganzen Land Jugendliche los und machten ihr Land schön. Doch inzwischen ist Frust eingekehrt, viele erinnern sich mittlerweile mit Wehmut an die stabilen Verhältnisse unter Mubarak.

Der Nobelpreis wäre ein Erfolgserlebnis

Was nützt die Freiheit? Wirtschaftskrise, Tourismusflaute und die ungewisse politische Entwicklung machen ihnen zu schaffen. Diesem Frust wollen Minna und ihre Freundinnen etwas entgegensetzen. "Die Leute sollen stolz sein auf ihr Land und dann bauen wir es gemeinsam auf", sagt sie. Die Jugendlichen gehören zur "Bewegung des 6. April", die die Revolution am Nil mit vorbereitet und organisiert hat.

Auch im neuen Ägypten spielt sie mit ihren inzwischen 20.000 Mitgliedern und 120.000 Anhängern im sozialen Netzwerk Facebook eine große Rolle. Die Aktivisten sind es, die der Militärregierung, die seit dem Sturz Mubaraks regiert, auf die Finger schauen. Mit immer neuen Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz und im Rest des Landes drängt die Initiative die Regierung zu Reformschritten.

Jetzt ist die "Bewegung des 6. April" für den Friedensnobelpreis im Gespräch, und das nicht ohne Chancen. Diese Auszeichnung käme genau zur rechten Zeit, denn die Jugendlichen der Revolution können dringend ein Erfolgserlebnis gebrauchen. Die Revolutionsmüdigkeit vieler ihrer Mitbürger macht ihnen zu schaffen, auch einigen von ihnen geht nach neun Monaten Dauerprotest langsam die Puste aus.

"Fast jeden Tag gingen wir in ein Armenviertel und machten Demos"

Hinzu kommt, dass die Militärregierung gegen die Jugendlichen vorgeht. Mehrere Aktivisten wurden wegen Kritik an den Generälen verhaftet, die Regierung wettert gegen die Bewegung. Die Jugendlichen seien vom Ausland bezahlte Agenten, die die Ordnung des Landes zerstören wollten, lautet der Vorwurf.

Gegründet wurde die "Bewegung des 6. April" im Jahr 2008. Die Textilarbeiter der Industriestadt Mahalla hatten zu einem Generalstreik aufgerufen, und eine Gruppe von Jugendlichen mobilisierte über Facebook für den Streik. Bei einer Demonstration in Mahalla wurde ein Mubarak-Bild zerfetzt. Das Video davon, 1.001 mal in Facebook gestellt, wurde zum Beweis, dass Widerstand in Ägypten möglich ist.

Eine der Aktivistinnen, Israa Abdel Fattah, wurde daraufhin festgenommen, und auch ihre Mitstreiter landeten mehrmals im Gefängnis. Doch sie gaben nicht auf. "Wir begannen mit Protestformen zu experimentieren", berichtet Ahmed Maher, der ebenfalls zu den Gründern gehört. "Fast jeden Tag gingen wir in ein Armenviertel und machten Demos. Bevor die Polizei kam, verschwanden wir."

Widerstands-Training in Belgrad

Maher wurde auf die serbische Widerstandsbewegung OTPOR! aufmerksam, die mitverantwortlich für den Sturz von Präsident Slobodan Milosevic im Jahr 2000 war. Einige ägyptische Aktivisten reisten zu der Initiative zum Training nach Belgrad. Diese Reise - finanziert von einer US-Stiftung - wird den Aktivisten jetzt vorgeworfen. In Belgrad lernten sie die Techniken des gewaltfreien Kampfes, in den ägyptischen Medien wird es allerdings so dargestellt, als seien sie dort zum Schießtraining gewesen.

2010, als in der ägyptischen Hafenstadt Alexandria der Blogger Khaled Said von der Polizei zu Tode gefoltert wurde, bekam die Protestbewegung großen Zulauf. Auf der Facebookseite "Wir sind alle Khaled Said" erschien der Aufruf zum "Tag der Revolte" am 25. Januar. Betrieben wird die Seite von Wael Ghonim, einem Google-Manager. Er ist ebenso wie Israa Abdel Fattah im Gespräch für den Friedensnobelpreis.

Das Nobelpreiskomitee in Norwegen könnte jedoch auch die gesamte "Bewegung des 6. April" auszeichnen. "Es wäre großartig, denn die Aktivisten können Unterstützung gebrauchen", betont Bassma Husseini, eine bekannte Kulturmanagerin in Kairo. "Die internationale Anerkennung wird auch die Ägypter aufwecken, und sie werden diese mutigen Jugendlichen dann hoffentlich auch wieder positiver sehen!"

epd