Wann ist es endlich gut in Afghanistan?
Vor Ende des Jahres sollen die ersten Bundeswehrsoldaten aus Afghanistan heimkehren. Eine genaue Planung gibt es aber noch nicht. Die Bundesregierung wartet zunächst die Abzugspläne der Amerikaner ab. Die Friedensbewegung in Deutschland fordert den sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan.
04.10.2011
Von Michael Fischer

Die Weichenstellung für den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan fiel der Bundesregierung nicht ganz leicht. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) wollte vor knapp einem Jahr einen konkreten Termin für den Beginn der Truppenreduzierung festlegen. Dem damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) erschien das voreilig. Westerwelle setzte sich durch: "Ende 2011" wurde als Abzugsbeginn angepeilt - allerdings mit dem Zugeständnis an Guttenberg "soweit die Lage dies erlaubt".

Die Lage hat sich nach Einschätzung der internationalen Schutztruppe Isaf im Laufe des Jahres deutlich verbessert, die Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die Afghanen ist planmäßig angelaufen. Trotzdem ist wenige Wochen vor dem Jahreswechsel völlig offen, ob tatsächlich die ersten von derzeit etwa 5000 deutschen Soldaten wie geplant vor Weihnachten heimkehren werden.

De Maizière hört erstmal den Amerikanern zu

Ein wenig Klarheit wird möglicherweise die Nato-Verteidigungsministerkonferenz an diesem Mittwoch und Donnerstag in Brüssel bringen. Unmittelbar vor dem 10. Jahrestag des Angriffs internationaler Truppen auf Afghanistan am 7. Oktober kommen die Ressortchefs aus den 28 Mitgliedstaaten zusammen, um über das weitere Vorgehen im verlustreichsten Einsatz des Bündnisses zu beraten. Schätzungen zufolge starben am Hindukusch bislang bereits mehr als 2700 ausländische Soldaten, davon 52 aus Deutschland. Die USA haben zwar bereits im Sommer angekündigt, bis September nächsten Jahres 33.000 Soldaten abzuziehen. Wo die Truppen reduziert werden, ist aber noch offen.

Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) wird genau hinhören, was die Amerikaner im Zuständigkeitsgebiet der Bundeswehr im Norden vorhaben. Zusammen mit Deutschland sind die USA dort mit Abstand am stärksten vertreten und stellen kaum ersetzbare Ausrüstung: Den rund 50 Kampf-, Transport- und Sanitätshubschraubern der USA stehen nur 6 deutsche Helikopter gegenüber. Von der Entscheidung der Amerikaner hängt zu einem wesentlichen Teil ab, wie die 17 anderen Truppensteller in Nordafghanistan sich verhalten. Erste Beratungen sollen gleich im Anschluss an die Nato-Konferenz am Donnerstag stattfinden.

Vor der internationalen Afghanistan-Konferenz in Bonn am 5. Dezember ist keine Entscheidung zu erwarten. Falls der Abzug noch wie geplant in diesem Jahr beginnen soll, bleibt dann nur noch eine Sitzungswoche des Bundestags vor Weihnachten. Allerspätestens am 31. Januar müssen die Würfel gefallen sein. Dann läuft das aktuelle Mandat für den Bundeswehreinsatz aus. Militärisch macht es keinen Unterschied, ob die Entscheidung im Dezember oder Januar fällt. Eine symbolische Bedeutung hätte eine Verschiebung in das Jahr 2012 dennoch. Schließlich hatte Westerwelle versprochen: "Das Jahr 2011 ist das Jahr der Zäsur."

Der teuerste Krieg seit dem Zweiten Weltkrieg

Die Friedensbewegung in Deutschland hat zehn Jahre nach Beginn des Afghanistan-Krieges den sofortigen Abzug der Bundeswehr gefordert. Der Militäreinsatz habe bislang mindestens 70.000 Todesopfer gefordert. Die Sicherheitslage habe sich in den vergangenen drei Jahren zunehmend verschlechtert, sagte der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, Peter Strutynski, am Dienstag in Berlin.

Unter dem Motto "Truppen abziehen - sofort und bedingungslos" ruft ein Bündnis von über 40 Initiativen für Samstag zu einer Demonstration in Berlin auf. Geplant ist eine symbolische Umzingelung des Kanzleramtes. Zudem wird zur Afghanistan-Konferenz Anfang Dezember in Bonn zu Protesten aufgerufen. Unter anderem ist für den 4. Dezember eine Demonstration in der alten Bundeshauptstadt geplant.

Laut Bundesausschusses Friedensratschlag handelt es sich bei dem NATO-Einsatz in Afghanistan mit Kosten von über einer Billion US-Dollar um den teuersten Krieg seit dem Zweiten Weltkrieg. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat Medienberichten zufolge allein für Deutschland Kosten von rund 17 Milliarden Euro für die vergangenen zehn Jahre errechnet, dreimal soviel wie von der Bundesregierung veranschlagt.

Das Bundesentwicklungsministerium gab unterdessen 110 Millionen Euro an Entwicklungsgeldern für Afghanistan frei. Damit stehen in diesem Jahr bis zu 240 Millionen Euro für die Entwicklungszusammenarbeit am Hindukusch zur Verfügung, teilte das Ministerium am Dienstag mit. Dazu kämen weitere zehn Millionen Euro zur finanziellen Förderung von Vorhaben deutscher Nichtregierungsorganisationen. Deutschland ist nach den USA und Japan der drittgrößte Geber in Afghanistan. 

dpa/epd