"Engel der Gerechtigkeit", 6. Oktober, 20.15 Uhr im Zweiten
Anwaltsserien mögen derzeit nicht angesagt sein, sind aber trotzdem ein beliebtes Genre. Arztserien haben ohnehin permanent Hochkonjunktur. Und wie gut die Kombination mit Krimi-Elementen funktioniert, beweist Woche für Woche "Dr. House". Mit "Engel der Gerechtigkeit" ist es dem ZDF dank eines cleveren Kniffs gelungen, die drei Spielarten unter einen Hut zu bringen: Hauptfigur und Titelheldin Patricia Engel (Katja Weitzenböck) ist sowohl Ärztin als auch Anwältin. Warum sie ihren Beruf als Medizinerin nicht mehr ausüben kann, ist nur einer der diversen Spannungslieferanten des Drehbuchs von Jürgen Werner.
Ein weiterer ist die Beziehung Patricias zu ihrem herrischen Vater (Robert Atzorn); dank dieser Erzählebene gelingt es Werner, mit dem Familiendrama ein weiteres Genre abzudecken. Außerdem liefert der Handlungsstrang schließlich auch die Erklärung für den Tremor, der Patricia die vom Vater ersehnte Karriere als Chirurgin verbaut hat. Da sie sich als Anwältin auf Arzthaftungsrecht spezialisiert und sowohl Ärzte als auch Patienten vertritt, kreuzen sich ihre Wege zwangsläufig immer wieder: Professor Brenner ist Chefarzt des Klinikums Hamburg, vergöttert seine kleine Enkelin, hält aber gar nichts von seinem Schwiegersohn Thomas Engel (Nicki von Tempelhoff).
Anwältin rettet Patientin das Leben
Als die Anwältin zum Geburtstagsfest ihres Vaters in der Klinik erscheint, kommt sie gerade noch rechtzeitig, um einer Patientin (Maria Simon) das Leben zu retten. Die Frau leidet seit einer Blinddarmoperation an einer rätselhaften Infektion. Dankbar nimmt sie Patricias Angebot an, sie zu vertreten. Trotz aller nur denkbaren Hindernisse, die Brenner und sein potenzieller Nachfolger ihr in den Weg legen, findet die Juristin heraus, dass dem behandelnden Arzt bei der Operation einer kapitaler Fehler unterlaufen sein muss. Als sie ihren Vater mit der Erkenntnis konfrontiert, sind die beiden gezwungen, endlich ihren Streit zu begraben, um das Leben der Frau zu retten.
Die Geschichte ist von eindrucksvoller Komplexität, zumal mit einem von Dietrich Mattausch verkörperten Spezialisten auch noch Patricias Berliner Doktorvater ins Spiel kommt; er ist am Ende die letzte Hoffnung. Völlig überflüssig und kaum komisch ist dagegen ein als Comedy-Einlage gedachter Nebenstrang mit Oliver Korittke und Andreas Schmidt als Freundespaar, das sich um einen verschluckten Lottoschein streitet. Höchst konventionell ist auch die Inszenierung (Karola Meeder), die sich am vorabendlichen Serienalltag orientiert. Die Auseinandersetzung mit ärztlichen Eitelkeiten und dem als vertrauensbildende Maßnahme gern geglaubten Perfektionismus aber verleiht dem Film sogar gesellschaftliche Relevanz; schließlich sterben pro Jahr Tausende, weil sie falsch behandelt worden sind.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).