"Stankowskis Millionen", 3. Oktober, 20.15 Uhr im Zweiten
Vermutlich muss man das selbst miterlebt haben, um es richtig begreifen zu können: Anfang der Neunzigerjahre wurde die DDR verscherbelt. Komplette Betriebe gingen für eine Mark an einen neuen Besitzer; ein ganzes Land als Resterampe. Sanierung durch Privatisierung nannte man das damals. Der Wirtschaftskriminalität war Tür und Tor geöffnet. Dass die Berliner Einrichtung, die eigentlich die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sichern sollte, auch noch Treuhandanstalt hieß, wird für die Betroffenen wie Hohn gewirkt haben. Ein Film über die Treuhand muss daher zwingend aus ostdeutscher Sicht erzählt werden, und wer könnte das besser als der Ostberliner Thomas Brussig, dessen DDR-Romane bereits Vorlagen für erfolgreiche Filme wie "Helden wie wir" und "Sonnenallee" waren.
Titelfigur von "Stankowskis Millionen" ist ein sächsischer EDV-Spezialist (Wolfgang Stumph), der nach der "Wende" keine Arbeit findet, obwohl die sowjetischen Satelliten überhaupt nur mit Hilfe seiner Computerprogramme durchs All fliegen. Als er sich vergeblich bei einer Münchener Softwarefirma bewirbt, kommt es zu einer folgenschweren Verwechslung: Treuhand-Manager Vonderecken (Christian Tramitz) lernt durch Zufall Stankowskis Fähigkeiten zu schätzen, hält ihn aber für einen Landsmann und engagiert ihn vom Fleck weg. Fortan muss der Sachse mit Wohnsitz Ostberlin im Büro seine Herkunft verleugnen und im Privatleben seine Arbeit: Die ausschließlich mit "Wessis" besetzte Treuhand und ihre Mitarbeiter sind das erklärte Feindbild seiner Freunde, die sich zum Teil nur mit skurrilen Jobs notdürftig über Wasser halten.
Der schnöselige schwäbische Investor
Immerhin ergibt sich für Stankowski die Möglichkeit, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Seine Tochter (Laura Syniawa) und ihr Freund Frank (Frederick Lau) wollen für einen maroden Fuhrpark einen Kredit über eine halbe Million Mark aufnehmen. Da jubelt Stankowski das verrottete Firmengelände doch lieber einem schnöseligen schwäbischen Investor (Sky Du Mont) unter, der ihm zudem die Frau (Petra Kleinert) ausgespannt hat. Allerdings bringt er damit den Kollegen Novak (Gustav Peter Wöhler) um eine fette Prämie, und das lässt der nicht auf sich sitzen.
Am schönsten ist die von Komödienspezialistin Franziska Meyer Price (zuletzt "Lindburgs Fall") recht flott umgesetzte Geschichte (am Drehbuch war auch Johannes W. Betz beteiligt) immer dann, wenn sie typische Erlebnisse der kleinen Leute erzählt. Wolfgang Stumph ist dafür natürlich die perfekte Besetzung, aber auch Gerrit Kling und Jörg Schüttauf haben herrlich komische Auftritte. Gerade die Scharmützel mit dem westdeutschen Nachbarn bringen die deutsch-deutschen Konflikte bestens auf den Punkt. Wunderbar ist schon allein die Szene, in der Stankowskis Kumpel einen steinernen Schutzwall zwischen den beiden Grundstücken errichtet. Empört fordert der Wessi "Die Mauer muss weg!", woraufhin Rudi kühl erwidert, dieser Spruch stehe ihm überhaupt nicht zu. Auch in den Treuhandszenen sorgen innerdeutsche Bosheiten immer wieder für satirische Momente. Ein würdiger Film zum Tag der Deutschen Einheit: weil er gerade durch das unterhaltsame Spiel mit den gegenseitigen Vorurteilen nicht spaltet, sondern versöhnt.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).