Ex-Protestantin unterm Kopftuch
Farina Stockamp konvertierte vor zwei Jahren zum Islam. Sie fand es unglaubwürdig, dass Gott einen Sohn haben soll. Die Ex-Protestantin hat ein Kopftuch angelegt und den neuen Studiengang Islamische Theologie in Tübingen gewählt.
30.09.2011
Von Birgit Vey

Dass ein Gott einen Sohn haben kann, fand sie unglaubwürdig. Der Islam dagegen überzeugte Farina Stockamp mit seinen Lehren und lebensnahen Regeln. Deshalb konvertierte die Christin aus Niedersachsen zum Islam. Ab Mitte Oktober wird sie zudem zu den ersten Studenten des Studiengangs Islamische Theologie an der Universität Tübingen gehören.

"Ein Kopftuch zu tragen halte ich für meine Pflicht"

"Sie werden mich sofort erkennen", meint Farina am Telefon vor dem ersten Treffen. Tatsächlich ist die 21-Jährige mit ihrem Kopftuch schnell entdeckt. Seit einem halben Jahr trägt sie das Tuch, obwohl die junge Frau schon 2009 zum Islam konvertierte. "Aber erst vor sechs Monaten habe ich mich zu diesem Schritt entschieden, da ich es für meine Pflicht halte." Ein äußerliches Zeichen ihres Glaubens wollte die Studentin setzen. Eingesetzt wird das Tuch, wenn sie von Männern und Fremden umgeben ist. "Zuhause, in der Familie oder unter weiblichen Vertrauten lege ich es ab."

Mit dem Kopftuch anfreunden mussten sich auch Farinas Eltern. Denn weder die Mutter, die bei der Diakonie als Sozialarbeiterin angestellt ist, noch der Vater, ein Gartenbau-Ingenieur, konnten als evangelisch getaufte Christen etwas mit dieser Praxis anfangen. Wie ihre beiden jüngeren Brüder besuchte Farina den evangelischen Konfirmandenunterricht in Niedersachsen. "Doch was in diesem Unterricht vermittelt wurde, hat nicht zu mir gepasst", erklärt sie. So spielte Glauben in ihrem Leben fast keine Rolle. Bis sie einen Sprachkurs bei der Volkshochschule besuchte, um Arabisch zu lernen und übers Internet Kontakt zum Islam bekam.

Der Koran bietet "sinnvolle Regeln und Orientierung"

Die erste Begegnung faszinierte sie: "Ich war erstaunt, welche Anziehungskraft diese Religion hat, durch die die Leute fünf Mal am Tag beten und einen Fastenmonat einhalten." Die junge Frau wollte mehr über den Islam wissen und las den Koran. "Tief beschäftigt", habe sie diese Schrift, weil sie etwa auf die von Christen vertretene Dreieinigkeitslehre verzichte. "Dass ein Gott einen Sohn haben kann, fand ich unglaubwürdig", sagt die Studentin. "Dagegen gibt es im Koran Allah als Gott, und Mohammed wie auch Jesus sind dessen Propheten. Das ist eine rationalere Denkweise", findet sie.

Auch enthalte der Koran sinnvolle Regeln. "Sie kommen Lebenseinstellungen gleich. Dazu gehört etwa, keinen Alkohol zu trinken, der schlecht für den Körper ist. Sich daran zu halten, ist vernünftig", sagt Farina. Und der Islam helfe bei der Orientierung. "Fünf Mal am Tag zu beten, strukturiert den Tag, und es wirkt wie eine Oase, um von den tausenden von Alltagseindrücken abzuschalten."

So begeistert war Farina vom neuen Glauben, dass sie sich in Berlin und Tübingen bewarb. Beide Unis bieten Islamwissenschaften an. Genommen hätte sie auch die Berliner Universität, doch die angehende Studentin entschied sich für Tübingen. Denn neben dem Studium im neuen Islamzentrum absolviert sie eine zweite Hochschulausbildung am arabischen Institut. Mit einem Bachelor of Theology will sie ihr Islamstudium abschließen. Als hohes Ziel hat sie sich eine Professur als Islamwissenschaftlerin gesetzt.

"Ich will mich nicht für meinen Glauben rechtfertigen"

Die Entscheidung für den Islam ist für Farina mit Hürden verbunden. Diskriminierungen wie verstohlene Blicke erlebt sie immer wieder. Oder offene Attacken wie etwa die Frage, ob sie denn Deutsch spreche. Allein das Tragen des Kopftuches veranlasste manchen, in Farina eine Türkin zu sehen. "Als ob die Zugehörigkeit zu einer Religion mit einer Nationalität verbunden ist", empört sie sich. "Ich spreche fließend Hochdeutsch, aber kein Schwäbisch", kontert die gebürtige Westfälin dann.

Selbst in die Ecke der fundamentalistischen Fanatiker wurde Farina schon gedrängt. "Achtung, Bombe", musste sich die junge Frau anhören. Doch Todesschützen, die vorgeben, im Namen Allahs zu handeln, oder Zwangsverheiratungen von Frauen - für Farina hat beides nichts mit dem Koran zu tun. Und manchmal ist es ihr einfach lästig, die immer gleichen Fragen gestellt zu bekommen. "Ich finde es anstrengend, dass ich mich ständig für meinen Glauben rechtfertigen muss."

epd

Anmerkung der Redaktion: Die Kommentarfunktion für diesen Artikel ist geschlossen.