Das vergessene Land - Krieg und Hungersnot in Somalia
Vor zwei Monaten gingen Spendenaufrufe um die ganze Welt, um den Dürreopfern in Ostafrika zu helfen. In Somalia ist die Lage aufgrund des Bürgerkriegs besonders dramatisch, die Vereinten Nationen riefen für Teile Südsomalias offiziell den Hunger-Notstand aus. Trotz Spenden in Millionenhöhe ist ein Ende der Hungerkatastrophe noch lange nicht in Sicht, meint Helmut Hess von der lokalen Hilfsorganisation DBG.
29.09.2011
Von Franziska Fink

Die Situation in den Dürregebieten in Ostafrika spitzt sich immer weiter zu. Mehr als 12,4 Millionen Menschen leiden mittlerweile unter der schlimmsten Dürre seit 60 Jahren – das sind mehr als doppelt so viele wie die Vereinten Nationen ursprünglich angenommen haben. "Die Situation ist schlimmer als vor sechs Wochen. Es gibt eine dramtische Verschlechterung und das große Sterben hat begonnen," sagt Helmut Hess von der Organisation DBG (Daryeel Bulsho Guud), Partner von Brot für die Welt und der Diakonie-Katastrophenhilfe. Bürgerkrieg und lange Dürreperioden haben das Land ausgezehrt, langfristig angelegte Projekte für die Entwicklungshilfe sind völlig zum Stillstand gekommen. Im Moment konzentriert sich alles auf die Nothilfe. Trinkwasser- und Nahrungsversorgung sowie das Austeilen von Planen, die Schatten spenden, stehen im Vordergrund. Die Situation wird zusätzlich dadurch erschwert, dass sich die Helfer nicht ungehindert im Land bewegen können.

Bild links: Das Flüchtlingslager Badbaado in Mogadischu. Foto: dpa/Dai Kurokawa

Sturheit verhindert Hilfe

Von den USA und der Sowjetunion wurde Somalia während des Kalten Krieges mit Waffen hochgerüstet, seit Anfang der 1990er Jahre kämpfen "Warlords" um ihre Herrschaftsgebiete.
Heute bekriegen sich vor allem die islamistische Al-Shabaab Miliz und die Zentralregierung und ringen um die Macht im Land. Die Folgen des Bürgerkriegs machen es für Hilfsorganisationen fast unmöglich, dort zu arbeiten oder die Bevölkerung überhaupt zu erreichen. "Auf der einen Seite lehnen die Rebellen konsequent ab, dass UN-Organisationen und andere westliche Organisationen in ihren Gebieten arbeiten. Und die Organisationen lehnen ab, ihre Lebensmittel lokalen Truppen zur Verfügung zu stellen, weil damit der Vorwurf verbunden wird, Rebellen zu unterstützen," erklärt Hess die verfahrende Situation. "Es gibt eine Sturheit auf beiden Seiten, das ist mein Vorwurf an die Rebellen, aber auch an die internationalen Organisationen." Nur dadurch, dass die somalische Partnerorganisation DBG strikt neutral geblieben ist und durch ihre jahrezehntelange Katastrophenhilfe von Regierung und Rebellen anerkannt und respektiert wird, ist es überhaupt noch möglich, dass ihre Helfer in Krisengebiete vordringen können.

Dürre und Bürgerkrieg haben dazu geführt, dass es mittlerweile keinerlei Reserven mehr gibt. Die Wasserspeicher sind leer, die Brunnen trocken. Auch die Tiere verenden und selbst das Saatgut wurde von den Menschen aufgebraucht. Hinzu kommt, dass Mais und Getreidepreise kontinuierlich und unverhältnismäßig steigen und die medizinische Versorgung fast vollständig zusammengebrochen ist. Hess beschreibt die Lage mit drastischen Worten: "Ein Helfer vor Ort, der in einem Krankenhaus arbeitet, meinte letzte Woche, dass täglich acht Kindersärge rausgetragen werden. Das sind keine objektiven, überprüfbare Zahlen, aber ein Hinweis darauf, dass sich die Situation weiterhin dramatisch verschlechtert."

Klimakatastrophe verschärft die Situation

Die langen Dürreperioden sind eine Folge des Klimawandels und dieser wird, so Hess, in Ostafrika bereits ganz konkret wahrgenommen. In manchen Regionen ist die Regenzeit bereits zum vierten Mal in Folge ausgefallen. Zukünftig muss man immer wieder mit durch Dürre verursachte Hungerkatastrophen rechnen. Hess sieht deswegen auch eine Mitverantwortung der westlichen Industriestaaten: "Wir sind Mitverursacher der Klimakatastrophe und es ist dringend notwendig, dass sich die internationale Gemeinschaft auch dieser Verantwortung bewusst wird. Es sind also zwei Dinge notwendig: Die Klimaveränderung zumindest zu verlangsamen und lokal alles dafür zu tun, um sich an das veränderte Klima anzupassen." So lange muss die Nothilfe vor Ort weitergehen. Außerdem müssen Vorkehrungen für die nächste Regenzeit getroffen werden, denn diese droht die Lage erstmal sogar zu verschlimmern. Sollten die Regengüsse tatsächlich im Oktober kommen, würden sie das Land überschwemmen, Cholera-Epidemien könnten dann Bevölkerung und Flüchtlinge zusätzlich schwächen.

Aber wie kann angesichts von Krieg, Dürre und Hunger die Zukunft für Somalia überhaupt aussehen? "Was man in Somalia machen kann, ist zu hoffen und alles dafür zu tun, dass sich eine politische Situation entwickelt, die es zulässt, dass die Leute wieder auf ihrem angestammten Platz leben und arbeiten können", sagt Helmut Hess. Und dann wäre auch wieder nachhaltige und langfristige Entwicklungshilfe möglich.


Franziska Fink arbeitet als freie Journalistin für evangelisch.de