Das unterirdische Giftlager ist keine Option - vorerst
Die umstrittenen CO2-Endlager kommen einstweilen nicht. Doch die Umweltschützer bleiben skeptisch. In vorderster Reihe der Kritiker: die evangelische Kirche.
28.09.2011
Von Thomas Östreicher

Die Umweltstinker zu entgiften - eigentlich ist es eine prima Idee: Mit aufwendiger Abscheidetechnik den Kohlekraftwerken entnommenes klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) verflüssigen und tief unter der Erde lagern, statt es in die Atmosphäre zu entlassen, wo es als Hauptverursacher des Klimawandels gilt.

Was sich in der Theorie gut anhört, ist in der Praxis allerdings mehr als fraglich. Wenn auch immer noch realistisch genug, dass Energiekonzerne wie RWE und Vattenfall den vagen Erfolgsaussichten zum Trotz bereit sind, Milliardensummen in die Entwicklung des Verfahrens zu stecken. Bislang gibt es ein CO2-Endlager weltweit nämlich ebenso wenig wie ein Endlager für radioaktiven Atommüll. Beide Vorhaben wecken angesichts der zeitlichen Dimension schnell Skrupel: Wer kann schon Sicherheit für Jahrhunderte oder gar Jahrtausende garantieren?

Teuer, aufwendig, gefährlich - aber könnte Arbeitsplätze schaffen

Die unbequemen Fragen beginnen schon am Anfang der Technologie namens "Carbon Capture and Storage" (CCS). Das CO2-Gas aus Kohlekraftwerken soll damit eingesammelt, verflüssigt, über Pipelines in die wenigen geologisch geeigneten Regionen transportiert und dort in salzwasserhaltige Gesteinsschichten gut einen Kilometer unter der Erdoberfläche gepresst werden.

[listbox:title=Mehr im Netz[CCS-Seite des Stromkonzerns Vattenfall##CCS-Seite des Stromkonzerns RWE##CCS-Seite des Wuppertal-Instituts##Friesische "Bürgerinitiative gegen CO2-Endlager"##Brandenburger Bürgerinitiative "CO2-Endlager stoppen"##Greenpeace: Argumente gegen CCS (PDF-Dokument)]]

Die Vorteile: Das schädliche CO2 würde tief unter der Erde gebunden und von festen Gesteinsschichten abgeschlossen, das macht die Kohleverstromung sauberer. Obendrein weckt das Verfahren die Hoffnung auf Tausende neuer Arbeitsplätze.

Die befürchteten Nachteile indes sind zahlreich: Schon der Energieaufwand der CCS-Methode ist so groß, dass man für fünf CCS-Kohlekraftwerke ein sechstes bräuchte, um die gleiche Menge Strom zu erzeugen wie mit fünf herkömmlichen Anlagen.

Die anschließende Pressen des Flüssiggases ins Gestein ist möglicherweise gefährlich, falls das unterirdische Lager durch Risse oder Kleinsterdbeben Lecks bekommt und das giftige Gas entweicht. Außerdem kann das vom Kohlendioxid verdrängte Salzwasser seinerseits das Grund- und Trinkwasser verunreinigen. Das wäre für ganze Regionen fatal. Der Greenpeace-Klimaschutzexperte Karsten Smid etwa spricht von "unkalkulierbaren Risiken" und einer "extrem hohen" Umweltgefahr.

"Wir wollen das nicht", sagt der Ministerpräsident

Er sieht das nicht als einziger so. Bürgerinitiativen in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Brandenburg, wo sich die meisten der geologisch möglichen CO2-Endlagerstätten befinden, machen seit Jahren gegen das Großprojekt mobil. Ihr bislang letzter Erfolg: Am 23. September 2011 scheiterte im Bundesrat das von der Bundesregierung eingebrachte Gesetz zur Erprobung der CCS-Technologie bis 2017. Zwei bis drei Lager mit Kapazitäten bis je drei Millionen Tonnen CO2 pro Jahr waren geplant.

Der Widerstand der Bundesländer war am Ende größer: "Wir wollen das in Schleswig-Holstein nicht", machte der vom Befürworter zum Kritiker gewandelte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) in Berlin klar – obwohl die Europäische Union (EU) von allen Mitgliedsstaaten eine verlässliche CCS-Regelung verlangt. Die Bundesregierung muss nun den Vermittlungsausschuss von Bund und Ländern anrufen, ein neues Gesetz vorlegen oder CO2-Speicher für das gesamte Bundesgebiet ausschließen - wie Österreich dies tut. Ob bis dahin EU-Vertragsstrafen drohen, ist noch unklar.

Was klar ist: In den Planungsabteilungen der Konzerne entwickelte großtechnologische Projekte finden vor Ort immer schwerer Akzeptanz, daran ändern auch die Anhörungen des Energieriesen RWE in Nordfriesland nichts. Dessen Ingenieure und Manager verstanden die Welt nicht mehr, als sie von Hunderten Bewohnern teils rüde für ihre Pläne angegangen wurden, erinnert sich der Umweltbeauftragte der Evangelischen Kirche Nordelbien, Pastor Thomas Schaack.

"Energiepolitisch das falsche Signal"

Der 47-Jährige, der auch Vorstandsmitglied der EKD-Umweltbeauftragten ist, begleitet das Thema CO2-Endlager seit geraumer Zeit und ist fasziniert davon, wie sehr es die Menschen im Norden bewegt. Ganz normale Berufstätige und selbst Jugendliche hätten sich in dicke Fachgutachten eingelesen und könnten sie in den Diskussionen zitieren.

Von CCS begeistert sei niemand: "Energiepolitisch ist das nach Meinung Vieler das falsche Signal." Statt CO2-Vermeidung und Förderung regenerativer Energien werde in die Laufzeit der alten Technik verlängert. Dafür hätten Viele kein Verständnis.

Ob es die oft beklagte Politikverdrossenheit gibt? "An der Wahlurne ja", bestätigt Schaack. "Aber Politik findet heute woanders statt." Ebenfalls mit Sympathie beobachtet der 47-jährige Pastor das überall wachsende regionale Selbstbewusstsein, das über das platte Nein zu umstrittenen Großprojekten hinausgeht und die Bereitschaft einschließt, Verantwortung in der jeweiligen Region zu übernehmen.

So sei die Akzeptanz von Windkraftwerken an der Küste hoch – nicht zuletzt, weil die Anlagen zu einem Gutteil den Anwohnern gehören und sich für sie rechnen. Bei einer Anhörung zum potenziellen Streitthema neuer Stromtrassen beruhigte ein Bauer die Sorgen der Stromkonzerne um die hohen Kosten gar mit der Ankündigung, das Geld für "Bürgernetze" werde man schon zusammenbekommen.

Die Pflicht, den Menschen beizustehen

Wo sich das Bewusstsein der Menschen wandelt, ist die Kirche wieder einmal nicht weit. Auch beim Protest gegen Friesland als CO2-Endlager, dem sich nicht nur die Kirchengemeinde Leck, die Synode und die Ethik-Kommission Nordfriesland, sondern auch der Bischof im Sprengel Schleswig und Holstein, Gerhard Ulrich, angeschlossen haben. "Ich unterstütze die breite, parteiübergreifende Ablehnung dieses Projektes in der Bevölkerung und den gesellschaftlichen Gruppen", so Bischof Ullrich. Derlei Großprojekte berührten "unseren Auftrag zur Bewahrung der Schöpfung und verletzen die Einsicht in die Fehlerhaftigkeit menschlichen Tuns".

Pastor Schaack erlebt "enorme Verunsicherung und Ängste bei den Menschen". "Dazu könnt ihr nicht schweigen", hätten Bürger die Kirchenleute aufgefordert. Er sieht es als seine Pflicht an, ihnen beizustehen. "Das hat schon eine seelsorgerliche Dimension." Außerdem zähle der Klimawandel zu den Überlebensfragen der Menschheit – auch dies ist für ihn ein kirchlicher Ansatzpunkt sich dagegen zu wehren, dass ausgerechnet "eine Region, die bei den erneuerbaren Energien führend ist, das 'CO2-Klo' Europas werden soll".

Wie es nun konkret mit CCS-Projekt weitergeht, vermag derzeit niemand zu sagen. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) schätzt CCS als "Zukunftstechnologie" ein. Doch für Niedersachsens Wirtschaftsminister Jörg Bode (FDP) scheint der Fall schon jetzt erledigt zu sein: "Es gibt in unserer Gesellschaft keinen Konsens für den Einsatz der CCS-Technologie."

mit Material von dpa

Thomas Östreicher ist freier Mitarbeiter bei evangelisch.de.