EKD fordert mehr Zusammenhalt in Europa
Vor der Abstimmung im Bundestag über den Euro-Rettungsschirm mahnt die Evangelische Kirche in Deutschland zu Solidarität in Europa. "In Wirtschaftskrisen ist besonders darauf zu achten, dass nicht die Schwächsten am härtesten betroffen werden," sagt der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider. Er erneuerte seine Forderung nach einer Transaktionssteuer für Finanzmärkte.

Vor der Bundestagsentscheidung über die Erweiterung des Euro-Rettungsfonds hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) an die Politik appelliert, sich in der Debatte über die Finanzkrise nicht nur von nationalen Interessen leiten zu lassen. Die europäische Völkergemeinschaft sei nur dann eine wirkliche Gemeinschaft, wenn sie auch die Bereitschaft zu Respekt und Solidarität verankere, mahnte der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider am Mittwoch in Hannover. Deshalb sei auch die Verantwortung Deutschlands als einer starken Wirtschaftsnation in der Europäischen Union zu berücksichtigen.

Unter dem Luther-Zitat "Was nicht im Dienst steht, steht im Raub" veröffentlichte die EKD sozialethische Grundsätze zur aktuellen Finanzkrise. Darin kritisierte der Ratsvorsitzende es als Widerspruch zum Gerechtigkeitsprinzip, wenn die Gewinne an den Finanzmärkten privatisiert, die Risiken allerdings von der Gesellschaft insgesamt und den Schwächsten getragen werden müssten: "In Wirtschaftskrisen ist besonders darauf zu achten, dass nicht die Schwächsten am härtesten betroffen werden."

Krise hat "grundlegende Schwachpunkte" offengelgt

Vor diesem Hintergrund sollte überlegt werden, wie Finanzmarktgewinne zur Finanzierung der Staatsaufgaben angemessen herangezogen werden könnten. Der Bundestag soll am Donnerstag die bereits im Juli von den Staats- und Regierungschefs beschlossene Erhöhung des Euro-Rettungsschirms auf 440 Milliarden Euro ratifizieren. Da es nach der Bankenkrise 2008 versäumt worden sei, für die Finanzmärkte einen wirksamen Ordnungsrahmen zu schaffen, erneuerte die EKD ihre Forderung nach einer Transaktionssteuer. Mit dieser Steuer sollen Spekulationen an den Finanzmärkten eingedämmt werden.

Die EU-Kommission legte am Mittwoch einen Vorschlag für eine europaweite Transaktionssteuer vor. Eine solche Steuer könne 55 Milliarden Euro jährlich einbringen, sagte Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Straßburg. Die neue Steuer soll am 1. Januar 2014 in Kraft treten und in allen 27 EU-Ländern erhoben werden. Nach den Vorstellungen der Kommission sollen Brüssel und die EU-Länder sich die Einnahmen teilen.

Die jüngste Finanz- und Schuldenkrise habe "grundlegende Schwachpunkte" im Regelwerk der Euro-Zone offengelegt, argumentierte der EKD-Ratsvorsitzende. Die hohe Verschuldung vieler Länder in Verbindung mit mangelnder Koordination der gemeinsamen Wirtschafts- und Finanzpolitik machten deutlich, dass der Zusammenhalt in der EU enger werden müsse.

Perspektiven für die kommenden Generationen

Unter Verweis auf den Grundsatz der Generationengerechtigkeit mahnte Präses Schneider, Schulden seien nur in dem Maße vertretbar, wie der fällige Schuldendienst die gesellschaftliche Leistungskraft überfordere. Schuldenabbau müsse Rezessionsgefahren vermeiden und Perspektiven für die kommenden Generationen ermöglichen.

Schneider verwies auch die Besorgnisse vieler Menschen - hervorgerufen durch hohe Staatsverschuldungen, Misstrauen an den Finanzmärkten und undurchsichtiges Verhalten der Finanzmarktakteure. "Wenn das Geschehen an den Finanzmärkten Arbeitsplätze und soziale Sicherheit gefährdet, wird das von den Menschen zu Recht als ungerecht und bedrohlich empfunden." Deshalb sei die Politik gefragt, über die Rettungsschirme für angeschlagene Staaten hinaus auch das Vertrauen der Bevölkerung in das Funktionieren der wirtschaftspolitischen Strukturen in Europa zu stärken. Dazu müssten die EU- Staaten neben kurzfristigen Instrumenten eine langfristige gemeinsame politische Strategie entwickeln.

epd