"Bewegt und erschüttert von der Not der Missbrauchsopfer hat der Heilige Vater sein tiefes Mitgefühl und Bedauern bekundet für alles, was ihnen und ihren Familien angetan wurde", heißt es in einer Erklärung des Vatikan und der Deutschen Bischofskonferenz. "Er hat den Anwesenden versichert, dass den Verantwortlichen in der Kirche an der Aufarbeitung aller Missbrauchsdelikte gelegen ist und sie darum bemüht sind, wirksame Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen zu fördern."
Der Skandal um jahrzehntelangen sexuellen Missbrauch von Kindern in kirchlichen und anderen Einrichtungen hatte im vergangenen Jahr an den Grundfesten der katholische Kirche gerüttelt. Sie stürzte in eine tiefe Krise. Eine Begegnung mit Missbrauchsopfern gehörte nicht zum offiziellen Besuchsprogramm des Papstes in Deutschland. Sie war aber als symbolische Geste erwartet worden. Vatikan-Sprecher Federico Lombardi beschrieb das Gespräch als "sehr kommunikativ, sehr friedvoll". "Papst Benedikt XVI. ist den Opfern nahe und bringt seine Hoffnung zum Ausdruck, dass der barmherzige Gott, der Schöpfer und Erlöser aller Menschen, die Wunden der Missbrauchten heilen und ihnen inneren Frieden schenken möge", so die Erklärung.
"Kein Blatt vor den Mund genommen"
Mit dabei war nach den Angaben auch der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, der Trierer Bischof Stefan Ackermann. Er sagte anschließend, das Treffen habe in einer "sehr menschlichen und offenen Atmosphäre" stattgefunden. Bei dem Gespräch sei "kein Blatt vor den Mund genommen" worden, sagte Ackermann am Samstag vor Journalisten in Erfurt. Dem Papst sei "Beschämung und Schmerz deutlich anzumerken gewesen".
Das Kirchenoberhaupt habe bereits vor Monaten sein Interesse an einer Begegnung mit Missbrauchsopfern signalisiert, erläuterte der Trierer Bischof weiter. Benedikt XVI. habe das Treffen als seine Verpflichtung angesehen. Die von der Bischofskonferenz ausgesuchten Opfer stammten den Angaben zufolge aus verschiedenen Regionen und reflektierten unterschiedliche Situationen aus Pfarreien und einem Kinderheim.
Opferinitiativen bedauerten, dass ihre Vertreter nicht zu dem Treffen eingeladen worden seien. "Wir hätten gerne mit dem Papst geredet", sagte ein Sprecher der Opfervertretung "Eckiger Tisch". Ähnlich äußerte sich Wilfried Fesselmann von der internationalen Organisation Snap, der nach eigenen Angaben 12.000 Missbrauchsopfer angehören. "Der Papst hört nur Opfer an, die nicht mit den Medien sprechen und in der Nähe wohnen." Am Freitag hatten hatten Missbrauchsopfer in Erfurt mit einer Mahnwache eine weitere Aufarbeitung von sexuellen Vergehen katholischer Priester gefordert. Seit dem Skandal im vergangenen Jahr habe sich nichts geändert, sagte Teilnehmer Fesselmann.
Noch nie vorher angekündigt
Vatikan-Beobachter waren davon ausgegangen, dass Benedikt seinen Deutschlandbesuch nach dem riesigen Missbrauchsskandal in der Kirche nicht ohne ein solches Treffen beenden konnte. Der Vatikan hat Begegnungen wie jetzt in Erfurt noch nie offiziell in das Reiseprogramm des Papstes aufgenommen oder sonst vorher angekündigt. Benedikt hat bereits mehrfach Opfer von Priestern der katholischen Kirche unter Ausschluss von Kameras und Öffentlichkeit getroffen, sich von ihnen berichten lassen und mit ihnen gebetet - so in den USA und auch bei seinem Besuch in Malta.
Allgemein war erwartet worden, dass es die Begegnung erst an diesem Wochenende in Freiburg geben würde. Dass sie nach einem langen und terminreichen Tag für den 84-Jährigen noch am Freitag in Erfurt stattfand, war überraschend. Momentan arbeitet die katholische Kirche den Missbrauchsskandal auf. Die Bistümer haben die Prävention verstärkt und wollen Opfer mit bis zu 5.000 Euro entschädigen. Bis Mitte September gingen nach früheren Angaben rund 700 Anträge Betroffener ein. Vielen reicht das aber nicht aus.
Ackermann sagte, vor allem in stark nach außen abgeschotteten Verhältnissen hätten die Opfer es vielfach schwer, Gehör zu finden. Den Betroffenen werde dabei vielfach nicht geglaubt. Auch ein Jahr nach der Verabschiedung der Missbrauchsleitlinien der Bischofskonferenz zeigen nach den Worten des Bischofs noch immer Opfer die Täter bei kirchlichen Stellen an. Das seien Menschen, "die erst jetzt den Mut fassen und sich melden". Deren Zahl sei jedoch im Vergleich zur Zeit nach Bekanntwerden der Missbrauchsskandale in Deutschland gesunken.
Ackermann verteidigte die Geheimhaltung der Identität der Opfer, die sich mit dem Papst getroffen hatten, mit Hinweis auf den Schutz ihrer Privatsphäre. Nur so sei die offene Gesprächsatmosphäre möglich gewesen, bei der die Betroffenen ihre Situation und Teile ihrer Biografie offen geschildert hätten. Wenn sie es selbst wünschten, könnten die Opfer sich an die Öffentlichkeit wenden.
Hier die Erklärung des Heiligen Stuhls zur Begegnung mit den Missbrauchsopfern im Wortlaut:
"Heute Abend hat sich Papst Benedikt XVI. in den Räumen des Erfurter Priesterseminars mit einer Gruppe von Opfern sexuellen Missbrauchs durch Priester und kirchliche Mitarbeiter getroffen. Anschließend begrüßte er einige Personen, die sich um die Leidtragenden derartiger Verbrechen kümmern.
Bewegt und erschüttert von der Not der Missbrauchsopfer hat der Heilige Vater sein tiefes Mitgefühl und Bedauern bekundet für alles, was ihnen und ihren Familien angetan wurde. Er hat den Anwesenden versichert, dass den Verantwortlichen in der Kirche an der Aufarbeitung aller Missbrauchsdelikte gelegen ist und sie darum bemüht sind, wirksame Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen zu fördern. Papst Benedikt XVI. ist den Opfern nahe und bringt seine Hoffnung zum Ausdruck, dass der barmherzige Gott, der Schöpfer und Erlöser aller Menschen, die Wunden der Missbrauchten heilen und ihnen inneren Frieden schenken möge."