"Unser Herz brennt nach mehr"
Papst Benedikt XVI. hat beim Ökumene-Gipfel mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) theologische Streitfragen ausgespart und stattdessen die Gemeinsamkeiten von Protestanten und Katholiken betont. Während die Vertreter der EKD einige der Differenzen ansprachen, betonte Benedikt am Freitag im Erfurter Augustinerkloster die grundlegende Einheit der Christen und würdigte den Reformator Martin Luther (1483-1546). Auf in der Ökumene strittige Themen wie ein gemeinsames Abendmahl oder den Umgang mit konfessionsverschiedenen Ehepaaren kam Benedikt nicht zu sprechen.

Das Treffen der beiden christlichen Kirchen an der frühen Wirkungsstätte Luthers galt als ein Höhepunkt des viertägigen Papstbesuchs in Deutschland. Nach einem morgendlichen Gespräch mit Muslimen in Berlin war Benedikt am zweiten Tag seiner Reise am Vormittag in Thüringen angekommen. Nach einem kurzen Besuch des katholischen Doms und dem anschließenden Treffen mit den Protestanten stand für den Abend noch eine Marianische Vesper im katholisch geprägten Eichsfeld im Norden Thüringens auf dem Programm.

Der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider mahnte nach dem Ökumenetreffen weitere Fortschritte im Dialog der christlichen Kirchen an. "Unser Herz brennt nach mehr. Und das war heute zu spüren", sagte er. Wichtige Fragen müssten geklärt werden.

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, verteidigte das Ausbleiben konkreter Vereinbarungen. Der Papst sei nicht mit fertigen Lösungen gekommen. "Er hat uns gesagt, was unsere Aufgabe ist", fügte der Erzbischof hinzu. Damit habe er von Anfang an gerechnet.

Göring-Eckardt: Abendmahl "zum richtigen Zeitpunkt"

In der ökumenischen Feier im Augustinerkloster äußerte die Synodenpräses der EKD, Katrin Göring-Eckardt, vor 300 geladenen Gästen ihre Hoffnung auf ein gemeinsames Abendmahl. Zum "richtigen Zeitpunkt" würden Katholiken und Protestanten "füreinander den Tisch decken", sagte sie: "Nicht, weil wir es müssen, sondern weil wir es können und weil wir es wollen."

Papst Benedikt XVI. und Synodenpräses Katrin Göring-Eckardt. Foto: dpa/Michael Kappeler

Der ökumenische Gottesdienst mit dem Papst und der Spitze der EKD sei "keine Show", betonte die Grünen-Politikerin: "Er dient nämlich etwas Anderem, etwas viel Größerem. Obgleich uns manches trennt, das Wichtigste verbindet uns: die Sehnsucht nach Gott." Bei dem Gottesdienst waren unter anderen Bundespräsident Christian Wulff, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie mehrere Ministerpräsidenten anwesend.

Der Papst sagte in dem Gottesdienst, er habe kein "ökumenisches Gastgeschenk" dabei. "Unser erster ökumenischer Dienst in dieser Zeit muss es sein, gemeinsam die Gegenwart des lebendigen Gottes zu bezeugen und damit der Welt die Antwort zu geben, die sie braucht", sagte das aus Deutschland stammende Kirchenoberhaupt. In der ökumenischen Begegnung sollten katholische und evangelische Christen daher nicht nur ihre Trennungen und Spaltungen beklagen, "sondern Gott für alles danken, was er uns an Einheit erhalten hat und immer neu schenkt".

Präses Schneider: "Schritte zu mehr Gemeinsamkeit"

Zuvor hatte er bei dem nichtöffentlichen Treffen mit den Vertretern der EKD davor gewarnt, die großen Gemeinsamkeiten wegen des Säkularisierungsdrucks "fast unbemerkt" zu verlieren. Diese Gefahr "ist leider nicht irreal", betonte Benedikt. Der Ratsvorsitzende der EKD, Nikolaus Schneider, lud die katholische Kirche ein, Erinnerungen an wechselseitige Verletzungen aus der Kirchenspaltung vor 500 Jahren zu heilen. Das Reformationsgedenken 2017 könnte die ökumenische Verbundenheit von Katholiken und Protestanten unterstreichen und Wege zur Aussöhnung eröffnen, sagte Schneider.

Papst Benedikt XVI. und der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider in Erfurt. Foto: epd/Friedrich Stark

Mit Hinweis auf die gemeinsame Anerkennung der Taufe warb der Ratsvorsitzende für ein größeres Miteinander der Kirchen: "Darauf können wir bauen und weitere konkrete Schritte zu mehr Gemeinsamkeit wagen." Auch regte er Erleichterungen für evangelische und katholische Christen an, die in konfessionsverschiedenen Ehen und Familien leben.

Papst Benedikt XVI. war am Vormittag von Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) am Flughafen Erfurt begrüßt worden. Sie überreichte ihm als Gastgeschenk ein modernes Gemälde des Erfurter Doms, bevor der Papst mit einer Polizeikolonne in die Erfurter Innenstadt fuhr. Dort empfingen ihn mit 15-minütiger Verspätung im minuziös geplanten Besuchsprogramm der Erfurter Bischof Joachim Wanke und Weihbischof Reinhard Hauke im Dom St. Marien.

Das Bistum Erfurt ist die zweite Station der viertägigen Papstreise durch Deutschland. Dort leben rund 156.000 Katholiken - ihr Anteil an der Bevölkerung liegt unter zehn Prozent. Es ist der erste Besuch des katholischen Kirchenoberhaupts in Ostdeutschland nach dem Fall der Mauer. Die letzte Station der viertägigen Reise wird nach Berlin und dem Bistum Erfurt am Wochenende das Bistum Freiburg sein.

Bei seiner Ankunft in Erfurt war der Papst am Vormittag von Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) auf dem Flughafen empfangen worden. Anschließend besuchte er den Erfurter Dom. Beim ökumenischen Gottesdienst waren auch Bundespräsident Christian Wulff, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie mehrere Ministerpräsidenten anwesend. 

epd