Strauss-Kahn räumt "moralischen Fehler" ein
Ein Fehler, aber keine Straftat, sagt Strauss-Kahn. Der frühere Chef des Internationalen Währungsfonds äußert sich erstmals öffentlich zu den Vergewaltigungsvorwürfen eines New Yorker Zimmermädchens. Eine schnelle Rückkehr in die Politik schließt er aus.
19.09.2011
Von Ansgar Haase

Der frühere Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, hat sich erstmals öffentlich zu den Vergewaltigungsvorwürfen gegen ihn geäußert. "Was passiert ist, war (...) ein Fehler", sagte der 62-Jährige am Sonntagabend in einem Interview des Fernsehsenders TF1. "Es war ein moralischer Fehler, auf den ich nicht stolz bin. Ich bedauere ihn jeden Tag."

Strauss-Kahn betonte jedoch, dass bei seiner Begegnung mit dem New Yorker Zimmermädchen Nafissatou Diallo weder Gewalt noch Zwang im Spiel gewesen sei. Es habe keine strafbare Handlung, sondern nur eine "unangemessene Beziehung" gegeben. "Es war ein Fehler gegenüber meiner Frau, meinen Kindern und meinen Freunden, aber auch ein Fehler gegenüber den Franzosen, die mit mir eine Hoffnung auf Wandel verbunden haben", sagte Strauss-Kahn.

Schnelle Rückkehr in die Politik ausgeschlossen

In Umfragen galt der frühere französische Wirtschafts- und Finanzminister bis zu seiner Festnahme im Mai als aussichtsreichster möglicher Kandidat der französischen Sozialisten bei der Präsidentenwahl im kommenden Frühjahr. Im Interview gab der Politiker jetzt erstmals öffentlich zu, dass er vorhatte, gegen den amtierenden Präsidenten Nicolas Sarkozy anzutreten. In der Zeit als IWF-Chef habe er sich nicht zu seinen Absichten bekennen dürfen.

Eine schnelle Rückkehr ins aktive politische Leben schließt Strauss-Kahn derzeit aus. Es sei nicht seine Rolle, sich in die derzeit laufende Kandidatenkür bei seiner Partei einzumischen. Er selbst werde definitiv nicht bei der Präsidentschaftswahl kandidieren. "Ich werde mich zunächst einmal ausruhen (...) und mir Zeit zum Nachdenken nehmen."

Sexueller Kontakt bewiesen

Wie erwartet machte Strauss-Kahn keine genauen Angaben dazu, was am 14. Mai in dem New Yorker Hotelzimmer passierte. Er verneinte allerdings, dass es sich bei dem Verhältnis um bezahlten Sex gehandelt habe.

Das Zimmermädchen hatte den 62-Jährigen wegen versuchter Vergewaltigung angezeigt und ihm vorgeworfen, sie zu Oralsex gezwungen zu haben. Strauss-Kahn wurde festgenommen und musste drei Nächte im Gefängnis verbringen. Während der Untersuchungshaft trat er als Chef des Internationalen Währungsfonds zurück.

Weil es Zweifel an der Glaubwürdigkeit der jungen Frau gab, wurde das Strafverfahren gegen Strauss-Kahn im August eingestellt, und er konnte in sein Heimatland Frankreich zurückkehren. In New York läuft noch eine Zivilklage um Schadenersatz. Dass es einen sexuellen Kontakt zwischen dem Franzosen und der Hotelangestellten gab, ist erwiesen. Beim Vorwurf der versuchten Vergewaltigung steht allerdings Aussage gegen Aussage.

Auch in Frankreich gibt es Vorwürfe gegen ihn. Eine heute 32-jährige Autorin wirft Strauss-Kahn vor, 2003 in einer Pariser Wohnung über sie hergefallen zu sein. Die Justiz hat Vorermittlungen eingeleitet. "Ich bin als Zeuge vernommen worden", sagte er am Sonntagabend. Auch in dem Fall habe es keinerlei Aggression gegeben.

Proteste vor dem Sender gegen den Auftritt

Vor den TF1-Studios demonstrierten Dutzende Frauenrechtlerinnen gegen das Strauss-Kahn-Interview. Sie kritisierten, dass Opfer von Gewalt- und Sexualverbrechen in der Regel kein Gespräch zur besten Sendezeit bekämen. "Ich habe Respekt für Frauen. Ich verstehe ihre Reaktion", sagte Strauss-Kahn. Er habe für sein Fehlverhalten aber bezahlt und tue dies noch heute.

Um den TV-Auftritt hatte es bereits im Vorfeld Diskussionen gegeben. Medienvertreter kritisierten, dass Claire Chazal, eine Freundin von Strauss-Kahns Frau Anne Sinclair, das Interview führen sollte. Dies könnte dazu führen, dass es kaum kritische Fragen gebe. "Ich habe verrücktes Glück gehabt, sie an meiner Seite zu haben", sagte Strauss-Kahn in dem Gespräch mit Chazal über seine Frau. Er habe ihr wehgetan, aber sie hätte ihn niemals so unterstützt, wenn sie nicht von seiner Unschuld überzeugt gewesen wäre.

dpa