Die Vogelgrippe feiert in Asien ein Comeback
Eine Zeit lang war es ruhig geworden um die Vogelgrippe. Fast so, als hätte es diese aviatische Epidemie, die auch eine Gefahr für Menschen darstellt, nie gegeben. Die Ruhe war trügerisch. Die Vogelgrippe ist wieder da. In den Ländern Asiens und darüber hinaus kommt es auf den riesigen Geflügelfarmen wieder zu Infektionen des Federviehs mit dem H5N1 Virus. In Kambodscha war im August ein vierjähriges Mädchen an einer H5N1-Infektion gestorben. Das war der achte Fall einer menschlichen H5N1-Infektion in diesem Jahr, von denen alle tödlich endeten.
16.09.2011
von Michael Lenz

Die Meldungen über neue Fälle der Vogelgrippe häufen sich. Bei hunderten Stück Federvieh wiesen Veterinäre Anfang September im indischen Bhopal das Virus nach. Am 8. September wurden in Yogykarta in Indonesien eine Mutter und ihren beiden Kinder mit Vogelgrippesymptomen in ein Krankenhaus eingeliefert. Auf den Philippinen warnte Umweltminister Ramon Paje seine Landsleute davor, wilde Vögel zu berühren. Die Gesundheitsbehörden in Malaysia betonten, das neue Virus sei in dem Land noch nicht nachgewiesen worden. Sie riefen die Bevölkerung aber auf, sich regelmäßig mit Seife oder Desinfektionsmitteln die Hände zu waschen. Durch einfache Hygienemaßnahmen könne das Infektionsrisiko vermindert werden. Auch in Thailand sind die Gesundheitsbehörden in erhöhter Alarmbereitschaft.

Erfolge gefährdet

Mit Massentötungen von Geflügel und breiten Impfaktionen unter Hühnern und Enten wird versucht, der Vogelgrippe Herr zu werden. Seit 2003 sind an dem Virus oder durch Massenschlachtungen 400 Millionen Tiere gestorben. Die Welternährungsorganisation FAO schätzt den weltweiten wirtschaftlichen Schaden auf mehr als 20 Milliarden Dollar. Die Maßnahmen waren zunächst erfolgreich. Die Zahl der Ausbrüche der Vogelgrippe sank von 4.000 auf dem Höhepunkt der Epidemie in 63 Ländern im Jahr 2006 auf 302 Mitte 2008, obgleich die Vogelgrippe in sechs Ländern – Vietnam, China, Indien, Indonesien, Bangladesch und Ägypten - endemisch blieb.

Seit 2008 aber steigt die Zahl der Fälle wieder an und auch ihre geographische Verbreitung nimmt wieder zu. 2010-2011 wurden bereits wieder 800 Ausbrüche registriert. Verbreiter des H5N1- Virus sind die Zugvögel, die weite Distanzen zu ihren Nist- und Brutplätzen oder zu ihren Winterquartieren fliegen. "Sie tragen den Erreger auch wieder in Länder, die für einige Jahre virusfrei waren", sagt Juan Lubroth, Chefveterinär der FAO. Der Wissenschaftler aber warnt davor, den freien Zugvögeln die Hauptschuld zuzuschieben. Mit Blick auf die Massentierhaltung in den Geflügelfirmen sagt Lubroth: "Die Zugvögel mögen das Virus einschleppen, aber es ist die Weise, mit der Menschen Geflügel produzieren und vermarkten, die es verbreiten."

Die Gefahr der Übertragung auf domestizierte Vögel ist zudem auch durch die schnell wachsende Landkultivierung – vor allem in Asien – groß. Landwirtschaftlich genutzte Flächen und natürliche Feuchtgebiete als Habitat vieler Wild- und Zugvogelarten rücken immer näher aneinander. Damit aber kommen sich auch Wild- und Hausvögel immer näher. Umgekehrt kann aber auch durch den Einsatz von Stallmist als Dünger oder Abwasser von Farmen mit infiziertem Geflügel den Erreger in den Lebensraum der Wildvögel gelangen.

Neuartiges Vogelgrippevirus resistent gegen Impfstoff

Eine zweite besorgniserregende Ursache für die Wiederkehr der Vogelgrippe ist das Auftauchen einer Virusvariante, gegen die existierende Impfstoffe wirkungslos zu sein scheinen. H5N1 – 2.3.2.1. lautet der unpoetische wissenschaftliche Name des in Vietnam entstandenen neuen Vogelgrippevirus. Die vietnamesischen Behörden hoffen nun, im Herbst die bereits im Frühjahr abgebrochene die Impfaktion von Geflügel mit einem modifizierten Mittel wieder aufnehmen zu können.

Der Herbst wird zeigen, ob die Kombination aus infizierten Zugvögel und Virusmutation zu einer neuen Vogelgrippepandemie führt. Die neue Virusvariante könne sich schnell von Vietnam aus auf die Nachbarländer Kambodscha, Thailand, und Malaysia verbreiten als auch weiter entfernte Länder wie Korea und Japan gefährden, befürchtet Lubroth. Das Virus könnte zudem durch die Zugvögel auch auf andere Kontinente reisen.

Die besten Präventionsmethoden und Kontrollen sind aber wirkungslos, bei einem weiteren Verbreitungsweg der Vogelgrippe: dem illegalen Tierschmuggel. In einer wissenschaftlichen Studie heißt es: "Schmuggel stellt weltweit eine Hauptursache für die Einschleppung und Verbreitung des Vogelgrippevirus H5N1 dar." Die Umweltorganisation WWF warnte bereits vor einigen Jahren: "Das Virus reist eher im Bauch von Flugzeugen als im Körper arktischer Zugvögel."

Mit Sorge sehen FAO als auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO), dass es gerade in den Ländern, in denen die Vogelgrippe endemisch ist, an effektiven Präventionskampagnen fehlt. "Die Angst vor H5N1 führt nicht zwangsläufig zu konkreten Plänen zur Kontrolle und Ausmerzung des Virus", warnte bereits im April dieses Jahres die WHO.

Seit ihrem ersten Auftreten 2003 wurden 565 Menschen mit dem Vogelgrippeerreger infiziert worden. 331 sind nach Angaben der WHO an der Krankheit gestorben. Unklar ist noch, ob die neue Virusvariante auch gefährlich für Menschen ist. Keiner der in diesem Jahr gemeldeten Übertragungen der Vogelgrippe auf Menschen ist von dem Virus mit dem sperrigen Namen verursacht worden.


Michael Lenz ist freier Korrespondent in Südostasien.