"Familie macht glücklich", 22. September, 20.15 Uhr im Zweiten
Der Titel dieses Films ist Programm: Familie ist vielleicht nicht alles, aber ohne Familie ist alles nichts. Ganz egal, was draußen in der Welt auch vor sich geht: Im Kreise der Lieben ist man in Sicherheit. Allerdings entspräche es nicht dem Stil von Autorin Rodica Döhnert (zuletzt "Am Kreuzweg"), eine realitätsferne Heile-Welt-Geschichte zu erzählen. Deshalb hat das Leben ihrer Heldin durchaus seine Schattenseiten: Julie (Bettina Zimmermann), alleinerziehende Mutter und "Königin des Chaos", wie ihre Kinder finden, ist der Typ Mensch, der seine Ziele entweder nicht erreicht oder über sie hinausschießt. Deshalb enden ihre Unternehmungen meist in der Pleite. Nach der jüngsten Insolvenz startet sie wieder mal durch, um neu anzufangen; und diesmal richtig. Sie verlässt Berlin und zieht mit Freya und Heinrich nach Augsburg, wo Onkel Theo (Gustav Peter Wöhler) eine Detektei betreibt.
Das turbulente erste Drittel des Films wirkt wie ein Serienauftakt: Die Figuren werden eingeführt und müssen charakterisiert werden, der Schauplatz soll zur Geltung kommen, diverse Details werden beiläufig eingestreut, damit sie später wieder aufgegriffen werden können. Wenn das alles endlich erledigt ist, muss der Film gewissermaßen durchatmen; prompt hängt auch die Spannung erst mal etwas durch, als sich die Geschichte endlich auf einen Erzählstrang konzentriert.
Ladendiebin mit seelischem Problem
Dass Julie vom Onkel als Aufpasserin in ein Kaufhaus geschickt wird, dient allein der etwas umständlichen Hinführung zur eigentlichen Handlung: Die Jung-Detektivin lernt auf diese Weise die Frau kennen, die ihre erste Auftraggeberin wird. Selbstredend klaut Ladendiebin Bettina (Tonia Maria Zindel) nur, weil sie ein seelisches Problem hat: Sie ist als Kind zur Adoption freigegeben worden, leidet unter chronischer Angst, verlassen zu werden, und ist drauf und dran, mit der Neurose ihre Ehe zu zerstören. Also verspricht Julie Bettina, alles zu tun, um ihre Mutter zu finden; und der etwas altkluge, aber ziemlich pfiffige Heinrich (Paul F. Gatz) hilft ihr dabei.
Gemessen am Einstieg ist der Rest des Films deutlich tempoärmer; im ersten Drittel passiert zuviel, im zweiten zu wenig. Dass die Komödie trotzdem kurzweilig bleibt, liegt vor allem an den Figuren. Schon allein die Hausgemeinschaft bietet Potenzial für weitere Filme (über die man beim ZDF tatsächlich nachdenkt): Onkel Theo ist ohnehin ein Original, aber seine esoterische Lebensgefährtin Trudi übertrifft ihn mit ihren Tarotkarten und ihrer Pendelei noch (Cleo Kretschmer, auch nach 36 Jahren noch Laiendarstellerin. Hübsch erdacht und inszeniert (Regie: Reinhard Münster) ist auch der Konkurrenzkampf zwischen Julie und ihrer 16jährigen Tochter Freya (Leslie-Vanessa Lill) um den attraktiven Nachbarn (David Rott), der für die eine zu jung und für die andere zu alt ist. Und dann ist da noch Theos skurriler Kunde (Helmfried von Lüttichau), der immer wieder mal auftaucht, um seine Schulden mit irgendwelchem Ramsch zu bezahlen. Beste Voraussetzungen für eine Fortsetzung also.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).