Was ist evangelisch, was ist katholisch?
Mit dem Besuch von Papst Benedikt XVI. in Deutschland rückt auch die Ökumene im Land der Reformation in den Blickpunkt. Römisch-katholische und evangelische Christen verbindet der Glaube an den einen Gott, seinen Sohn Jesus Christus und die Kraft des heiligen Geistes. Die zwei Konfessionen entwickelten in Alltag und Gottesdienst allerdings eigene Traditionen, mit denen sie sich zugleich voneinander abgrenzen. Hier ein kleines Glossar.
15.09.2011
Von Stephan Cezanne

Bibel: Die Heilige Schrift ist für alle Christen Zentrum und Quelle ihres Glaubens. In evangelischen Gottesdiensten wird meist die dem modernen Deutsch angepasste Lutherbibel und in deutschsprachigen katholischen Messen die Einheitsübersetzung benutzt. Schon lange gibt es allerdings von katholischen und evangelischen Theologen gemeinsam herausgegebene ökumenische Übersetzungen.

Kirchen: Traditionell befinden sich in katholischen Kirchen unter anderem Heiligenbilder, Beichtstühle und Weihwasserbecken. Im Gegensatz zu den meisten evangelischen sind katholische Gotteshäuser zudem tagsüber fast immer geöffnet. Doch auch Protestanten nutzen ihre Kirchen außerhalb der Gottesdienste zunehmend als Ort für stilles Gebet und Meditation. Insgesamt gleichen sich in der modernen Architektur der vergangenen Jahre evangelische und katholische Kirchen zunehmend einander an.

Gottesdienst: Nach wie vor gilt für römisch-katholische Christen die Pflicht, am Sonntag in die Kirche zu gehen. Dem kommen nach der jüngsten Statistik aus dem Jahr 2007 rund 14 Prozent der Katholiken regelmäßig nach. Obwohl auch von evangelischen Christen der sonntägliche Kirchgang erwartet wird, besucht nur eine Minderheit den Gottesdienst. Statistiken zählen weniger als fünf Prozent. Ausnahmen sind hohe Feiertage wie Weihnachten und Ostern.

Sakramente: Christen verstehen Sakramente als heilende Zeichen der Nähe Gottes - danach tritt Gott in den Sakramenten zu den Menschen in Beziehung. Die katholische Kirche kennt ebenso wie die orthodoxen Ostkirchen sieben Sakramente: Taufe, Firmung, Eucharistie, Buße mit Sündenbeichte, Krankensalbung, Priesterweihe sowie die Ehe. In der evangelischen Kirche gibt es zwei Sakramente: Taufe und Abendmahl.

Abendmahl und Eucharistie: In der Regel dürfen in der katholischen Eucharistiefeier nur katholische Christen die Kommunion empfangen. Katholiken ist der Empfang des Abendmahls in evangelischen Kirchen verboten. Aus Sicht des römischen Lehramts sind evangelische Pfarrer nicht gültig geweiht. Sie könnten daher die Sakramente nicht vollwertig spenden, so der Vatikan. In der evangelischen Kirche sind dagegen alle getauften Christen zum Abendmahl eingeladen, die auch in ihren Heimatkirchen zum "Tisch des Herrn" zugelassen sind.

Konfirmation und Firmung: In der evangelischen Kirche nehmen fast alle getauften Mädchen und Jungen im Alter von etwa 14 Jahren an der Konfirmation teil. Für die meisten Protestanten heißt evangelisch sein auch konfirmiert zu sein. Der evangelischen Konfirmation entspricht die katholische Firmung, meist zwischen dem zwölften und 15. Lebensjahr. Zuvor gehen junge Katholiken mit etwa zehn Jahren zur Erstkommunionfeier, bei der sie erstmals die Eucharistie empfangen.

Heilige: Katholiken verehren ihre Vorbilder im Glauben als Heilige. Mehr als 4.000 Heilige, Selige und Namenspatrone aus der 2.000-jährigen Geschichte des Christentums zählen die einschlägigen katholischen Kalender. Martin Luther (1483-1546) bekämpfte den übertriebenen Heiligenkult in der Kirche seiner Zeit besonders heftig. Zugleich würdigte er jedoch die Lebensbeschreibungen der Heiligen als "nützlichste Bücher der Christenheit".

Bekreuzigen: Katholische Christen bekreuzigen sich vor allem im Gottesdienst, aber auch im Alltag - etwa Sportler vor dem Wettkampf. Sie bekennen damit öffentlich ihren christlichen Glauben. In der evangelischen Kirche kennt man das Kreuzzeichen allein im Gottesdienst.

Kloster: Das in der frühen Kirche entstandene christliche Mönchstum ist in der katholischen, aber auch der orthodoxen Kirche bewahrt worden. Die evangelische Kirche kennt keine Mönche und Nonnen. Doch auch im protestantischen Raum gibt es zahlreiche Bruderschaften, Schwesternschaften und Kommunitäten mit zölibatär lebenden Männern und Frauen. Besonders junge Christen sind zudem fasziniert von der ökumenischen Kommunität von Taizé im französischen Burgund.

Himmel und Hölle: Die traditionelle katholische Lehre pflegt die bildhafte Sprache von Himmel und Hölle bis heute. Moderne Theologen aus allen Konfessionen verstehen beide Begriffe heute weniger als reale Orte, sondern eher als Zustände für besondere Gottesnähe, beziehungsweise für ein schmerzvolles Getrenntsein von Gott. Das Leben nach dem Tod wird vorsichtig als ein "nach Hause kommen" interpretiert.

epd