Pro - Nikolaus Schneider: "Der Papst und ich sehen vieles ähnlich"
Ich freue mich darauf, den Papst auf seiner Deutschlandreise zu treffen. Wir werden im Augustinerkloster miteinander sprechen, dem Ort, an dem Martin Luther zum Priester geweiht wurde und seine erste Messe gehalten hat. Ich sehe es als ein positives Zeichen, dass wir uns an einem für uns Protestanten so hoch symbolischen Ort über ein gemeinsames Miteinander von Katholiken und Protestanten austauschen werden.
Natürlich wird dieses Gespräch nicht die Lösung aller Probleme mit sich bringen. Der Papst hat uns Protestanten verletzt, auch mich persönlich, als er die katholische Kirche als "einzig wahre Kirche" bezeichnet und uns den Kirchenstatus abgesprochen hat. Ich lebe allerdings in der getrosten Gewissheit, dass nicht der Papst in Rom über diese Frage entscheidet, sondern Gott. Man sollte aber unter Geschwistern anders miteinander umgehen, mit Respekt und auf Augenhöhe.
Ökumene ist keine akademische Veranstaltung der Kirchen, sondern hat vor allem mit dem Leben der Gläubigen zu tun. Wenn in einem Land wie Deutschland, in dem die Konfessionen etwa gleich verteilt sind, die evangelischen und katholischen Christen nicht gemeinsam das Abendmahl feiern können, ist das ein Problem.
Der Papst und ich sehen aber vieles ähnlich, beispielsweise wenn es darum geht, den Armen eine Stimme zu geben, wenn wir uns für eine gerechtere Welt einsetzen. Und vor allem bei Jesus Christus. Wir Menschen sind das Volk Gottes, nicht das des Papstes, eines Bischofs oder eines Präses. Das sieht auch Papst Benedikt so.
Ökumene heißt für mich, Verschiedenheiten zu akzeptieren. Es muss nicht alles eine Einheit sein. Es gibt dieses schöne Zitat aus Johannes 17, das hohe priesterliche Gebet Christi. Jesus wünscht sich, dass wir eins sind, damit die Welt glaube. Die Einheit ist also kein Ziel in sich, sondern die Einheit hat eine Funktion.
In diesem Sinne befinden wir uns in einer glorreichen Zeit des Zusammen-wachsens. Bildlich gesprochen stehen wir auf einer Treppenstufe, auf der es nicht weiter geht, aber auf der die nächste Treppenstufe langsam in Sicht kommt. Der Papstbesuch könnte ein Anlass sein, um auf die nächste Stufe zu kommen. Ich bin davon überzeugt, dass es Papst Benedikt ein ehrliches Anliegen ist, ein echtes ökumenisches Miteinander zu erreichen. Dafür setzen wir uns schon lange ein.
Nikolaus Schneider ist rheinischer Präses und Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Contra - Bascha Mika: "Der Papst hat alle Hoffnungen enttäuscht"
Die Begeisterung für den Papst ist abgekühlt. Umfragen zeigen, dass es der Hälfte der Befragten egal ist, ob das Oberhaupt der katholischen Kirche nach Deutschland kommt. Kein Wunder: In vielen Punkten ist Benedikt vor allem ein Ärgernis: Sein Autoritätsverständnis und sein Umgang mit Frauen sind nicht tragbar in einer aufgeklärten Gesellschaft.
Spannend ist: Ein Großteil der deutschen Katholikinnen sieht das ebenso. Die Mehrheit der katholischen Frauen spricht sich für eine Öffnung des Priesteramts für Frauen aus und ist gegen den Zölibat. Es kann doch nicht sein, dass Frauen in der katholischen Kirche putzen dürfen, den Großteil der ehrenamtlichen Arbeit in den Gemeinden leisten, aber keine leitenden Ämter bekleiden und es nicht wert sind, mit Priestern verheiratet zu sein. Alle theologischen Begründungen dafür sind Humbug. Ebenso wie für den Zölibat.
Wenn der EKD-Ratsvorsitzende Präses Schneider den Papst trifft, sollte er ihm beschreiben, wie toll es ist, Frauen überall dabei zu haben. "Die Kirche geht garantiert nicht an den Frauen zu Grunde" - das sollte er seinem Kollegen mal sagen. Ob Joseph Ratzinger ihm zuhört, ist eine andere Frage. Für Erneuerung in der katholischen Kirche gibt es zurzeit überhaupt keine Anzeichen.
Dabei hat Ratzinger als er ins Amt kam, Hoffnungen geweckt und in Deutschland eine regelrechte Papstmanie ausgelöst: Ja, er war ein Hardliner, hieß es, aber jetzt muss er für die gesamte katholische Kirche sprechen und wird dadurch offener sein. Das stimmt eben nicht. Benedikt hat diesen gemeingefährlichen Kerl von der Piusbruderschaft zurück in die Kirche geholt. Er hat sich einiges in Bezug auf die Muslime und Protestanten geleistet. Ich erwarte von diesem Papst nichts mehr. Er hätte genügend Gelegenheiten gehabt, positive Zeichen für die Zukunft zu setzen – von der Ökumene bis zur Annäherung an den Islam. Er hat es nicht getan.
Dabei glauben Katholiken und Protestanten an denselben Gott und an denselben Christus. Es gibt unterschiedliche theologische Auffassungen, aber das sollte eigentlich kein unüberwindbares Hindernis sein. Zumal viel Ideologie hinter den Differenzen steckt. Es ist immer von Übel wenn Vertreter einer Religion behaupten, im Besitz des einzig wahren Glaubens zu sein. Und das gibt es leider auf beiden Seiten. Es geht also auch darum, Arroganz und Selbstgerechtigkeit zu überwinden. Doch das wird mit Papst Benedikt schwer möglich sein.
Prof. Bascha Mika lehrt an der Hochschule der Künste in Berlin und war Chefredakteurin der "tageszeitung".
Die "aktuelle "Tacheles"-Sendung wird am heutigen Donnerstag, 15. September, von 19 Uhr bis 20.30 Uhr in der Marktkirche Hannover aufgezeichnet. Einlass ist ab 18 Uhr, der Eintritt ist frei. Jan Dieckmann moderiert die Sendung, zu den Gästen gehören neben Schneider und Mika auch der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke sowie Matthias Matussek, Autor des Buches "Das katholische Abenteuer – eine Provokation".
Im Anschluss an die Fernsehaufzeichnung können die Zuschauer erstmals ihre eigenen Fragen an die prominenten Gäste richten. Die Antworten werden im Internet unter www.tacheles.tv zu sehen sein. Der öffentlich-rechtliche Sender Phoenix strahlt "Tacheles" am Sonntag, 18. September um 13 Uhr und 24 Uhr, am Mittwoch, 21. September im Rahmen der aktuellen Phoenix-Berichterstattung zum Papstbesuch und am Sonntag, 2. Oktober um 17 Uhr aus. Die Talkshow wird getragen von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der hannoverschen Landeskirche und der Klosterkammer Hannover.