Schneider: Papst kann nicht für alle Christen sprechen
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, wendet sich gegen eine herausgehobene Stellung des Papstes innerhalb der christlichen Kirchen.

"Im Ethischen wie im Theologischen gibt es ganz viele Bereiche, wo der Papst nicht für uns sprechen kann", sagte Schneider rund eine Woche vor dem Deutschlandbesuch von Benedikt XVI. Unterdessen kritisierte der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, die Ankündigung mehrerer Bundestagsabgeordneter, die Rede des Papstes im Parlament zu boykottieren

"Mit Machtansprüchen sehr vorsichtig sein"

Schneider unterstrich in der Tageszeitung "Die Welt" (Mittwochsausgabe), zu sagen, der Papst solle für alle Christen sprechen - "das ist für mich unmöglich". Es sei Ausdruck eines bestimmten Glaubens, den Papst als Nachfolger des Apostels Petrus zu betrachten. "Dass der Papst durch jenen Rückgriff auf Petrus die eigene Identität bestimmt, nehme ich als theologische Überzeugung zur Kenntnis", sagte der rheinische Präses. Problematisch werde es, wenn aus jener Vorstellung ein Anspruch gegenüber anderen Kirchen und Gläubigen abgeleitet wird. "Man sollte auf so unsicherem Grund mit Machtansprüchen sehr vorsichtig sein", sagte der oberste Repräsentant der rund 24 Millionen Protestanten in Deutschland.

Schneider trifft bei einer ökumenischen Begegnung am Freitag nächster Woche in Erfurt mit Papst Benedikt zusammen. Das katholische Kirchenoberhaupt ist vier Tage in seiner deutschen Heimat zu Besuch.

Veröffentlichung aus dem Buch "Unter Ketzern" "nicht hilfreich"

Als "nicht hilfreich" vor dem Papstbesuch bezeichnete Schneider eine Veröffentlichung des evangelischen Monatsmagazins "chrismon". "chrismon" hatte Auszüge aus dem Buch "Unter Ketzern" seines Chefredakteurs Arnd Brummer vorab veröffentlicht. Brummer war Anfang der 90er Jahre von der katholischen zur evangelischen Kirche konvertiert und schildert in dem Buch seine Glaubenserfahrungen. Schneider, der zu den Herausgebern von "chrismon" zählt, sagte der "Welt", Brummer beschreibe seinen Weg "sehr persönlich und emotional, woraus ersichtlich wird, dass es sich nicht um Aussagen unserer Kirche handelt". "Die Freiheit zu solchen Urteilen muss es geben", sagte Schneider.

Katrin Göring-Eckardt, die als Präses der Synode der EKD vorsteht, rechnet zum Papstbesuch mit Auseinandersetzungen über die katholische Sexualmoral. "Das Thema wird sicher eine Rolle spielen. Dafür werden schon die zahlreichen Protestdemonstranten sorgen, die sich zum Papstbesuch angekündigt haben", sagte Göring-Eckardt der "Saarbrücker Zeitung" (Mittwochsausgabe). Sie finde das gut und richtig: "Niemand sollte damit hinter dem Berg halten, was ihn bewegt."

Erzbischof Zollitsch mahnt Bundestagsabgeordnete zu Respekt

Der Papst sollte wahrnehmen, dass er in ein Land komme, in dem sich zum Beispiel Homosexuelle durch die Sexualmoral der katholischen Kirche verletzt fühlten, sagte die Grünen-Politikerin Göring-Eckardt: "Ob der Papst etwas dazu sagt, muss er allein entscheiden." Zugleich verteidigte die Vizepräsidentin des Bundestages die geplante Papstrede im Parlament, die einige Abgeordnete der Linken sowie von SPD und Grünen boykottieren wollen.

Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Zollitsch, mahnte die Abgeordneten zu Respekt: "Der Bundestagspräsident hat Benedikt XVI. als Deutschen und als Staatsoberhaupt des Vatikans eingeladen. Ich bedaure es, dass Bundestagsabgeordnete wegbleiben und die Rede boykottieren wollen", sagte Zollitsch der "Passauer Neuen Presse" (Mittwochsausgabe). Es gehöre sich, "einen solchen Gast mit der notwendigen Freundlichkeit, mit Respekt und Noblesse aufzunehmen".

epd