Merkel gegen Spekulationen über Insolvenz Griechenlands
Soll man das finanziell angeschlagene Griechenland notfalls in die Insolvenz gehen lassen? FDP-Chef Rösler schließt das nicht mehr aus. Von Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble bekommt er dafür indirekt einen Rüffel.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Spekulationen über eine mögliche Insolvenz Griechenlands strikt zurückgewiesen. Im rbb-Inforadio bekräftigte sie am Dienstag, dass sich mit dem Euro auch die Zukunft Europas entscheide. Es gehe also um sehr viel. "Und deshalb sollte jeder auch seine Worte sehr vorsichtig wägen. Was wir nicht brauchen können, ist Unruhe auf den Finanzmärkten. Die Unsicherheiten sind schon groß genug." Wirtschafts- und Finanzpolitik sei zur Hälfte immer auch Psychologie.

Die CDU-Vorsitzende ging damit - ohne ihn namentlich zu erwähnen - deutlich auf Distanz zu FDP-Chef und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler. Dieser hatte in einem Beitrag für die "Welt" geschrieben, es dürfe auch kurzfristig keine Denkverbote mehr geben. "Dazu zählt notfalls auch eine geordnete Insolvenz Griechenlands, wenn die dafür notwendigen Instrumente zur Verfügung stehen."

Auch Schäuble distanziert sich von Rösler

Merkel sagte im rbb-Inforadio: "Ich glaube, wir tun Griechenland den größten Gefallen, indem wir wenig spekulieren, sondern Griechenland ermutigen, die Verpflichtungen auch umzusetzen, die es eingegangen ist." Griechenland müsse jetzt seine Hausaufgaben machen. "Ich glaube, Griechenland weiß, was es zu tun hat."

Aus Sicht der Kanzlerin muss "alles daran gesetzt werden, den Euroraum politisch zusammenzuhalten, weil wir sehr schnell zu Domino-Effekten kommen würden". Im Euro-Raum müssten "unkontrollierte Prozesse" verhindert werden, um eine stabile Währung zu sichern. "Deshalb ist das oberste Gebot, eine unkontrollierte Zahlungsunfähigkeit zu verhindern, weil das nicht nur Griechenland treffen würde, sondern die Gefahr, dass es alle trifft, zumindest noch etliche andere Länder, sehr groß ist."

Vor der Kanzlerin hatte sich auch schon Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) indirekt von Rösler und seinen Äußerungen zu Griechenland distanziert. Die Finanzmärkte reagierten derzeit "übertrieben nervös", sagte er am Montagabend in der ZDF-Sendung "Was nun?". "Da macht es keinen Sinn, (...) die Nervosität durch Gerede zu verstärken." Der "Rheinische Post" (Dienstag) sagte Schäuble: "Die Auflagen, die Griechenland erfüllen muss, sind hart, aber sie sind unvermeidlich. Es liegt an Griechenland die Verabredungen zu erfüllen. Über diese simple Tatsache hinausgehende Spekulationen sollten wir vermeiden."

Steinmeier: Röslers Gerede kostet Steuerzahler Milliarden

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hat Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) vorgeworfen, mit seinem Gerede über einen Staatsbankrott Griechenlands die Krise um den Euro verschärft zu haben. "Den deutschen Steuerzahler wird dies weitere Milliarden kosten", sagte Steinmeier der Nachrichtenagentur dpa.

Ein Vizekanzler der größten Volkswirtschaft in Europa müsse wissen, dass er mit solchen Sätzen die Finanzmärkte gefährlich ins Rutschen bringen könne. "Wer sich dessen nicht bewusst ist, ist der Verantwortung des Amtes nicht gewachsen und fehl am Platze", meinte Steinmeier. Der FDP-Vorsitzende habe leichtfertig und aus parteipolitischem Kalkül eine Staatspleite Griechenlands in den Raum gestellt. Rösler verstehe offensichtlich nicht, dass weitere Länder folgen würden, wenn Europa die Griechen nicht retten könne. Die Märkte würden dann jedes Vertrauen in die wirtschaftliche Stabilität der Euroländer verlieren.

Nach Ansicht Steinmeiers hat die FDP-Führung mit ihrem Verhalten auch die Koalitionsfrage gestellt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe erklären lassen, ein Rauswurf Griechenlands aus der Eurozone stehe nicht zur Debatte. Damit stünden sich CDU und FDP in einem entscheidenden Moment für die Zukunft Europas mit völlig unterschiedlichen Positionen gegenüber. "Entweder bringt Frau Merkel ihren Koalitionspartner wieder zur Räson - oder diese Regierung ist am Ende", zeigte sich der SPD-Fraktionschef überzeugt.

"Schwarz-Gelb ist am Ende und reißt den Euro mit"

Der Linke-Vorsitzende Klaus Ernst warf der schwarz-gelben Koalition auf der Nachrichtenseite n-tv.de ein abgekartetes Spiel vor. "Jede aus der Bundesregierung lancierte Spekulation über eine Pleite Griechenlands oder einen Ausschluss aus dem Euro bringt das Land einen Schritt näher an den Abgrund." Das nähre einen schlimmen Verdacht, sagte Ernst. Weil die eigene Mehrheit für den Euro-Rettungsschirm bröckele, solle noch vor der Schlussabstimmung im Bundestag eine schnelle Pleite Griechenlands herbei geredet werden. "Schwarz-Gelb ist am Ende und reißt den Euro mit."

Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok warnte in der "Rheinischen Post" (Dienstag): "Wenn Spitzenpolitiker wie Minister Rösler und Co. die Insolvenz weiter herbeireden, wird dies zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Klar ist: Die Pleite Athens ist die für Deutschland schlimmste und teuerste Lösung." Eine geordnete Insolvenz eines Staates innerhalb der Euro-Zone sei nach den bisherigen internationalen Regeln nicht möglich."

Der Präsident des Bayerischen Finanzzentrums, Wolfgang Gerke, plädiert hingegen dafür, Griechenland in die Insolvenz gehen zu lassen. "Ein Schuldenschnitt und die Rückkehr zur Drachme, um wettbewerbsfähig zu werden, sind notwendig. Die Insolvenz wäre ein sinnvoller Schritt", sagte er der "Passauer Neuen Presse" (Dienstag). "Es wäre das richtige Signal: Länder, die so stark gegen die Verträge verstoßen, können nicht in der Eurozone bleiben."

Obama: Euro-Krise hat "zweifelslos Folgen für Amerika"

US-Präsident Barack Obama hat sich tief besorgt über mögliche globale Folgen der Euro-Krise geäußert. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa ruft er die Europäer zum entschlossenen Kampf auf. Im Kern gehe es darum, die Währungsunion durch eine abgestimmte Haushaltspolitik zu ergänzen. Besorgt äußerte er sich zu Italien und Spanien.

So lange die Euro-Krise "nicht gelöst ist, werden wir weiterhin Schwächen in der Weltwirtschaft sehen", sagte Obama am Montag dem spanischsprachigem Dienst der Deutschen Presse-Agentur sowie anderen spanischsprachigen Weltagenturen. "Letztlich müssen sich die großen Länder in Europa und deren politische Führer zusammenfinden und eine Entscheidung darüber fällen, wie sie die Währungsintegration mit einer effektiveren und abgestimmten Haushaltspolitik zusammenbringen", meinte er.

Die Situation in Europa werde zweifelslos auch Folgen für die US-Wirtschaft haben: "Wir leben heute in einer integrierten Weltwirtschaft. Das, was jenseits des Atlantiks oder des Pazifiks geschieht, hat gewaltigen Einfluss auf Amerika, auf unseren gesamten Kontinent, nicht nur auf die USA", sagte er. Daher versuche seine Regierung, die Krise "intensiv gemeinsam mit den Europäern" zu lösen.

dpa