Die Erwartungen an Günther Jauch und seine Talkshow am Sonntagabend in der ARD waren bereits im Vorfeld überbordend hoch. Deutschlands beliebtester Showmaster besetzt den begehrten Sendeplatz von Anne Will nach dem Quotenfänger "Tatort" in der ARD. Jauch empfängt seine Gäste im Berliner Gasometer in einem Ambiente, in dem eine Ballsaalatmosphäre mit der Ästhetik des von Edelrost überzogenen Stahls verbunden wird. Auf diese Oberfläche werden die starken Bilder der Einspielfilme projiziert. Alles wirkt wie in einem modernen Ausstellungskonzept, hart. Das passt zu Berlin. Es passt etwas weniger zu Günther Jauch.
Als Fernseh-Profi kennt der Mann die Macht der Bilder und versteht sie auch virtuos einzusetzen. Als vor zehn Jahren das erste Flugzeug ins World Trade Center raste, stand Marcy Borders am Kopiergerät im 81. Stock des Nordturms. Sie floh aus dem Gebäude, kurz bevor es einstürzte. Das Foto der von Trümmerstaub bedeckten Frau im Bürokostüm ging um die Welt. Sie ist damit selbst ein Teil dieser Bilder, die unseren Eindruck vom 11. September formen. Borders erzählt Günther Jauch im Einzelgespräch, wie der 11. September 2001 ihr Leben verändert hat. Ein Einspielfilm zeigt sie im Kreise ihrer Familie: "Gott hat mich gerettet, hat mir geholfen. Ich habe das wiederbekommen, was der Teufel mir genommen hat. Ich habe keine Angst mehr". Um in die Talkshow nach Berlin zu kommen, ist sie zum ersten Mal nach den Terroranschlägen wieder in ein Flugzeug gestiegen.
Zu einem echten Schlagabtausch kommt es während der Sendung nicht
Die Talkgäste des Abends sind bunt gemischt: Jürgen Klinsmann, der seit langem in den USA lebt und die US-Fußball-Nationalmannschaft trainiert, Autorin Elke Heidenreich, Ex-Verteidigungsminister Peter Struck (SPD), Axel-Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner und Afghanistan-Kenner Jürgen Todenhöfer. Es geht im Gespräch hauptsächlich um die Folgen des 11. September 2001: den Afghanistan- und Irak-Krieg, den Terror und wie die westliche Welt darauf reagieren könnte. Jauch fragt und alle berichten, wie sie den 11. September 2001 persönlich erlebt haben. Später erfährt der Zuschauer, wer von den Gästen als Soldat nach Afghanistan ziehen würde und wer nicht.
Das neue Talkformat wirkt magaziniger, erinnert in Verbindung mit Jauch streckenweise an Stern-TV. Bemerkenswert für einen Polittalk ist, dass die Redner sich erst dann zu Wort melden, nachdem sie gefragt werden. Zu einem echten Schlagabtausch kommt es während der gesamten Sendung nicht. Das Konzept wirkt auf einen ruhigen Ablauf ausgerichtet. Das mag auch am Thema liegen.
Von persönlichen Einzelgesprächen bis hin zum Polittalk
Der Moderator wechselt von der großen Gesprächsrunde in Einzelgespräche mit persönlicher und emotionaler Prägung. So erzählt Tanja Menz, wie sie zehn Jahre nach den Terroranschlägen ihren ganz persönlichen Schicksalsschlag erlitt: Ihr Sohn Konstantin stirbt im Afghanistan-Einsatz. Im Februar 2011 wurde er mit zwei Kameraden von einem vermeintlich verbündeten Afghanen erschossen. Günther Jauch erzählt sie ihre Geschichte. Dieser zeigt sich betroffen und fragt, wieso sich die Mutter so gefasst zeige, so gar nicht vom Schmerz zerrissen. Wie sie sogar so weit gehen könne, keinen Hass auf den jungen Attentäter zu empfinden, dessen Leben in einem Land voll von Krieg ihn letztlich zu seiner Tat veranlasst hat.
Jauch hat die Gesprächsführung stets fest in der Hand, lässt die Zügel kaum locker. 300 Zuschauer sind am Abend live dabei. Sie treten kaum in Erscheinung. Applaus brandet selten auf. Keiner der Gäste kommt auf die Idee, mit der Publikumsreaktion zu spielen. Das Gespräch steht in der Sendung im Vordergrund. Die Perspektiven wechseln oft, vom emotionalen Einzelgespräch über den gewohnten Politikertalk bis hin zur repräsentativen Umfrage. Welche Lösung gibt es für den Konflikt in Afghanistan? Die Argumente von Gegnern und Befürwortern in der Runde in Bezug auf den deutschen Militäreinsatz werden vorgetragen. Am Ende steht jedoch Volkes Stimme in Gestalt der 66 Prozent, die einen sofortigen Abzug aus Afghanistan fordern.
Die erste Rückmeldung zur Sendung gab bereits Peter Struck am Ende derselbigen: "Ich finde, Sie haben das auch gut gemacht, ihre Sendung", sagte Struck zum Abschluss. Dem gibt es nichts hinzuzufügen.
Markus Bechtold ist Redakteur bei evangelisch.de.