Die Erinnerung an 9/11 stand am Sonntag im Zentrum zahlreicher Gedenkveranstaltungen in Deutschland. Bundespräsident Wulff rief bei der Eröffnung des Internationalen Münchner Friedenstreffens zur Bewahrung "unserer gemeinsamen Werte" im Kampf gegen den Terrorismus auf. Dabei komme auch den Religionen eine große Aufgabe zu. Gerade weil der Terrorismus eine religiöse Rechtfertigung beanspruche, sei es notwendig, auf die wahre Botschaft der Religionen zu verweisen, sagte Wulff laut Redemanuskript. "Religion gibt keine Lizenz zum Töten", unterstrich das Staatsoberhaupt.
Wulff hatte bereits am Vormittag mit Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) an einem interreligiösen Gottesdienst in der American Church in Berlin teilgenommen. US-Botschafter Philip D. Murphy rief in dem Gottesdienst zu Mitmenschlichkeit auf. "Wir dürfen diejenigen, die ihr Leben lassen mussten, niemals vergessen, aber wir müssen mehr tun, als uns einfach nur an sie zu erinnern", sagte der Diplomat.
Zu der Feierstunde war auch Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) gekommen.
Bischof Dröge: "Religionen gemeinsam als Friedensmacht profilieren"
Am Brandenburger Tor begann bereits um 6.46 Uhr ein ganztägiges Friedensfest der interreligiösen Initiative "Religionen auf dem Weg des Friedens". Eine weitere Gedenkveranstaltung fand im Roten Rathaus in Berlin statt. Dort und andernorts beteiligten sich etliche Menschen um 14.46 Uhr an der weltweiten Schweigeminute für die Opfer der Anschläge. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sagte, die Antwort auf die Herausforderung durch den Terrorismus müsse sein, "das freiheitsliebende Menschen zusammenrücken, egal welche Konfession sie haben und egal aus welchem Land sie stammen".
[reference:nid=48217]
Der Berliner Bischof Markus Dröge mahnte einen stärkeren interreligiösen Dialog an. "Zehn Jahre nach dem 11. September 2001 sollten die Religionen endlich die Chance ergreifen, sich gemeinsam als Friedensmacht in der Welt zu profilieren", sagte der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz in einem Gottesdienst in der Marienkirche. Es gelte, sich gegen Instrumentalisierungen des Glaubens für Terror und Gewalt zur Wehr zu setzen.
EKD-Ratsvorsitzender Nikolaus Schneider hatte bereits im Vorfeld des Gedenktages betont, Religion dürfe nicht zum Instrument politischer Absichten werden. "Vielmehr sollen wir aus dem eigenen Glauben heraus die Friedfertigkeit dieses Glaubens betonen, erklären und auch erkennbar leben", sagte der Präses der rheinischen Kirche. Der 11. September sei "eine Ermahnung, in allen Religionen Gewalt legitimierende Elemente zurückzudrängen und den friedensschaffenden und friedenserhaltenden Dienst der Religionen zu fördern."
Papst Benedikt XVI. predigte gegen Gewalt als Lösung
Kardinal Reinhard Marx rief zum Auftakt des Münchner Friedenstreffens dazu auf, sich nicht von Rache, Gewalt und Feindschaft lenken zu lassen. "9/11" sei der Auftrag, "sich tapfer und mit langem Atem für Frieden, Gerechtigkeit, Begegnung und Versöhnung einzusetzen, sagte der Münchner Erzbischof. Am Frankfurter Flughafen gedachten Christen, Juden und Muslime gemeinsam der Opfer der Terroranschläge vom 11. September.
Papst Benedikt XVI. betete im italienischen Ancona für die Opfer und ihre Angehörigen. Zugleich rief er in einer Messe dazu auf, "Gewalt als Lösung von Problemen abzulehnen". Vor 100.000 Gläubigen forderte das Oberhaupt der Katholiken dazu auf, "der Versuchung des Hasses zu widerstehen und sich in der Gesellschaft an die Grundsätze der Solidarität, der Gerechtigkeit und des Friedens zu halten".
Kanzlerin Merkel sieht im Terrorismus weiter eine "reale Bedrohung"
Weltweit sprachen sich Vertreter der Politik im Gedenken an die Opfer von 9/11 gegen Terrorismus aus. Nach Ansicht von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist die Auseinandersetzung mit Terror noch in vollem Gange: "Der Kampf ist noch nicht vorüber, wir befinden uns immer noch in seinem Mittelpunkt", sagte er in Jerusalem.
Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad warf den USA vor, die Anschläge von 2001 als Vorwand missbraucht zu haben, um Kriege zu beginnen. Der Angriff sei ein "kompliziertes Spiel" gewesen, "von den USA als Vorwand benutzt, um den Irak und Afghanistan anzugreifen und dabei das Blut unschuldiger Menschen zu vergießen".
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rief zur Wachsamkeit auf. Der Terrorismus sei weiter eine "sehr reale Bedrohung" auch für Deutschland, sagte sie dem "Tagesspiegel am Sonntag". Außenminister Guido Westerwelle (FDP) bezeichnete die Terrorattacken als "Angriff gegen die Würde des Menschen für alle, die in Freiheit leben wollen". Er sagte gegenüber dpa: "Wir müssen uns darauf einstellen, dass diejenigen, die uns unser freiheitliches Leben nicht gönnen und es bekämpfen wollen, auch in Zukunft immer wieder eine Gelegenheit dazu suchen."