TV-Tipp des Tages: "Ausgerechnet Sex!" (Sat.1)
Wer moralisch eher empfindlich ist, könnte rote Ohren bekommen: Marie fällt aus allen Wolken als sie entdeckt, womit ihr Mann den Lebensunterhalt der Familie verdient hat - mit Pornofilmen.
09.09.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Ausgerechnet Sex!", 13. September, 20.15 Uhr auf Sat.1

Wenn ein Film im Porno-Gewerbe spielt, darf man als Macher nicht zimperlich sein, sonst wird die Geschichte unglaubwürdig. Und da man unter dem Deckmantel der Komödie ohnehin eine gewisse Narrenfreiheit genießt, geht es in "Ausgerechnet Sex!" freizügiger zu als sonst in den filmischen Eigenproduktionen der Privatsender.

Wer also in Fragen der Moral eher empfindlich ist, könnte rote Ohren bekommen, und das ist auch gut so, denn dann haben Produzent Boris Ausserer und Autor Ilja Haller ihr Ziel erreicht: weil man perfekt nachvollziehen kann, was die Heldin der Geschichte durchmacht, als sie entdeckt, womit ihr Mann den Lebensunterhalt der Familie verdient hat. Erst fällt der Gute von der Leiter und dann Gattin Marie aus allen Wolken: Hinter dem harmlosen Firmennamen "MarieX" verbirgt sich eine Pornoproduktion. Und schlimmer noch: Auf dem Unternehmen lasten Schulden in sechsstelliger Höhe, das Haus ist verpfändet. Marie ist entsprechend schockiert, zumal die freizügige Firmenphilosophie in offenkundigem Widerspruch zu ihrer Blümchensexwelt steht.

Hier die brave Marie, dort die nackten Tatsachen

Valerie Niehaus ist eine glaubwürdige Besetzung für die Hauptrolle, die sich vorkommen muss wie Alice im Pornoland. Dass sie mimisch des öfteren überagiert, wäre gar nicht nötig gewesen, schließlich ist der Kontrast auch so offenkundig: hier die brave Marie, dort die nackten Tatsachen. Vieles versendet sich, aber wenn man genau hinhört, geht es in den Dialogen ziemlich zur Sache; von der Ausstattung ganz zu schweigen. Die Details dürften den Beteiligten den größten Spaß bereitet haben, zumal die Pornoindustrie und ihre absurden Filmtitel ("Roy das Rohr in Diana Jones") gehörig persifliert werden.

Die Grundidee (sie basiert auf einer französischen TV-Serie) wäre schon schön genug, wird aber noch verfeinert: Marie verliebt sich erst in Hauptdarsteller Roy (Tom Beck) und muss dann ein gefährliches Doppelspiel treiben. Als Mitglied des Elternbeirats landet sie in einer spießigen Arbeitsgruppe, die die Pornoproduktion aufs Korn genommen hat. Ihr Versuch, die Filme künstlerisch gehaltvoller zu gestalten, entpuppt sich als völliger Flop, aber dafür beginnt sie, die Mitglieder der Pornofamilie in ihr Herz zu schließen.

Der Film (Regie: Andi Niessner) reiht eine Vielzahl vergnüglicher Szenen aneinander. Zu den witzigsten gehört der Firmenbesuch eines verklemmten Ehepaars, das Maries Mann 100.000 Euro für sein angebliches Software-Unternehmen geliehen hat und sich nun überzeugen will, dass das Geld gut investiert worden ist; kurzerhand werden die Pornokulissen in ein Call-Center umgewandelt. Aber die schönste Rolle spielt Helmfried von Lüttichau als Pornoregisseur, dessen herrlich unverblümte Dialoge allerdings alles andere als jugendfrei sind.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).