Gefährdet die Schuldenkrise auch die Altersversorgung?
Die Staatsschuldenkrisen von Griechenland, Portugal und anderen Euroländern werden die Versicherten noch zu spüren bekommen. Doch die Untenehmen in Deutschland lassen ihre Kunden im Unklaren. "Die Assekuranz gibt ihren Kunden kaum Orientierung", kritisieren die Experten der Unternehmensberatung Faktenkontor in Hamburg. Dabei sind Versicherer im Vergleich mit den Banken kaum auf die Kapitalmärkte ausgerichtet.
07.09.2011
Von Hermannus Pfeiffer

Ein Kurssturz an den Börsen lässt in den Vorstandsetagen von Allianz und Generali keine Warnglocken läuten. Eine Staatsschuldenkrise tut das allerdings schnell, denn teils aus Unternehmensstrategie, teils aufgrund rechtlicher Vorgaben legen Assekuranzkonzerne das Kapital ihrer Kunden hauptsächlich sicher an. Ganz oben auf der Hitliste stehen dabei wertbeständige Wertpapiere, die sichere Zinszahlungen versprechen. Klassiker sind Bundesschatzbriefe und andere Staatsanleihen, in der Vergangenheit auch gerne von Griechenland, Portugal oder Italien. Bis zum Platzen der Hellas-Blase im April 2010 galt dies in der Finanzbranche allgemein als eine grundsolide Strategie.

Verbraucherschützer sorgen sich mittlerweile, dass Versicherer bei weiteren Herabstufungen der Staatspapiere von Griechenland bis Spanien zu Notverkäufen gezwungen sein könnten. "Verlieren Wertpapiere den so genannten 'Investment Grade', werden sie zu einer riskanten Kapitalanlage", erläutert Lars Gatschke vom Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). Die Finanzaufsicht hat solche Risikopapiere aber auf 5 Prozent des Kapitals begrenzt und dieser Topf dürfte bei vielen Versicherern bereits gut gefüllt sein. Die Folge könnten Zwangsverkäufe der in diesem Fall dann nahezu wertlosen Papiere sein und damit hohe Verluste für die Versicherungsgesellschaften.

Die Versicherungen schreiben griechische Papiere ab

Dazu wird es aber in absehbarer Zeit nicht kommen, versichert die Finanzaufsicht Bafin. "Um Notverkäufe zu vermeiden haben wir im Mai vergangenen Jahres und jetzt im Juni entsprechende Verlautbarungen veröffentlicht", beruhigt Bafin-Sprecherin Kathi Schulten. Damit solle ein "prozyklisches Verhalten" der Unternehmen verhindern werden. Folglich müssen sich Unternehmen nicht von den heiklen Staatspapieren trennen, selbst wenn diese bei den Ratingagenturen durchfallen.

[listbox:title=Was sind Abschreibungen?[Mit Abschreibungen erfasst man im betrieblichen Rechnungswesen "planmäßige oder außerplanmäßige Wertminderungen" von Vermögensgegenständen, erläutert der "Gabler", das Wirtschaftslexikon. Besitzt ein Versicherer griechische Staatsanleihen, die er für 100 Millionen Euro gekauft hat, werden sie in der Bilanz normalerweise mit dem Nennwert von 100 Millionen notiert. Spitzt sich die Lage wie im Fall Griechenland zu, kann es rechtlich und/oder kaufmännisch geboten sein, die Wertpapiere auf den Marktwert "abzuschreiben". Statt 100 Millionen stehen dann vielleicht nur noch 30 Millionen in der Bilanz. Die Differenz von 70 Millionen wird die nächste Gewinnrechnung um 70 Millionen Euro schmälern. Und das kriegen dann auch die Versicherten zu spüren.]]

Das Engagement in Papieren der "PIIGS-Staaten" (O-Ton Bafin) - gemeint sind Portugal, Irland, Italien, Griechenland und Spanien - liegt laut Bundesfinanzaufsicht je nach Staat in einer Bandbreite von rund 0,3 bis etwa 3,0 Prozent der gesamten Kapitalanlagen. Die Risikostreuung scheint damit intakt zu sein.

Folgenlos bleibt die Staatsschulenkrise trotzdem nicht. Die Erträge der wegen der Budapester Bade-Orgie in Verruf geratenen Ergo-Gruppe fielen im ersten Halbjahr um 1,2 Milliarden Euro niedriger aus als noch im Vorjahr. "Wesentlicher Grund", so Reinhold Müller vom Branchendienst "Versicherungsjournal", sei die Abschreibung griechischer Staatsanleihen auf den niedrigen Marktwert. Abgeschrieben haben auch Branchenprimus Allianz und Generali ihre Problempapiere und verhageln sich damit ihre Gewinne.

Nur selten wird über die Risiken informiert

Sachversicherungen, wie Hausrat oder Auto, dürften dadurch jedoch kaum teurer werden. "Hier kann die Staatsschuldenkrise nicht so extrem durchschlagen, weil das Kapitalergebnis nicht die Bedeutung hat", erklärt Verbraucherschützer Gatschke. Weit wichtiger ist das reine Versicherungsergebnis: Wie viele Autounfälle gab es, wie viele Wohnungen hatten einen Wasserschaden und so weiter. Anders bei Lebens- und Rentenversicherungen sowie bei privaten Krankenversicherungen: Hier spielen Finanzanlagen die Hauptrolle.

Das gesamte angelegte Kapital der Branche beträgt sagenhafte 1,2 Billionen Euro. Neben der Staatsverschuldung zehren auch die niedrigen Zinssätze in Deutschland, Schweiz oder USA an diesem Vermögen. Viel hängt dann auch für die Versicherten von der glücklichen oder unglücklichen Anlagestrategie der einzelnen Vorstände ab. Für dieses Jahr erwartet Gatschke Abschreibungen bei vielen Versicherungsunternehmen. Dadurch dürften die Überschussbeteiligungen, die Kunden gutgeschrieben werden, kleiner ausfallen als erhofft.

Und dann bleibt da noch ein Restrisiko für Versicherte: Beim jüngsten Stresstest der Bafin fielen fünf Schaden- und Unfallversicherer sowie vier Pensionskassen durch. Leider nennt die Finanzaufsicht wiederum keine Namen. Dürftig fallen ebenfalls die Informationen der Assekuranz aus. "Magere acht Prozent der Bundesbürger wurden von einer Versicherung unaufgefordert mit Informationen zu Auswirkungen der Staatsschuldenkrise auf die Altersvorsorge versorgt", beklagt man im Hamburger Faktenkontor.


Hermannus Pfeiffer ist freier Journalist in Hamburg.