Finanzmärkte-Chaos treibt die Kunden zu Alternativbanken
Die nachhaltig orientierten Banken in Deutschland machen sich wenig Sorgen wegen der Eurokrise. Im Gegenteil: Sie erwarten, dass sich - wie bei der Finanzkrise 2008 - mehr Menschen für einen ethisch einwandfreien Umgang mit Geld ohne Spekulationsgeschäfte entscheiden.
06.09.2011
Von Miriam Bunjes

Thomas Jorberg etwa fürchtet die Eurokrise nicht - jedenfalls nicht, was das Kunden-Vertrauen und den Kundenzuwachs seiner Bank betrifft. "Jede Krise lässt Menschen über den Umgang mit Geld neu nachdenken und führt dazu, dass viele sich für einen anderen Umgang entscheiden", sagt der Vorstandssprecher der Bochumer GLS Bank. Jorberg wird im Oktober von der Fairness-Stiftung für seine "Verdienste um die faire Führung der GLS Bank gegenüber den Kunden, den Mitgliedern, den Mitarbeitern, der Umwelt und der Gesellschaft" ausgezeichnet. Er sagt: "Wir rechnen weiter mit vielen neuen Kunden."

Anhaltend starker Zulauf

Tatsächlich hat die Finanzkrise seit 2008 den Banken, die nach ethischen und ökologischen Kriterien arbeiten, enormes Wachstum beschert. Während etablierte Finanzinstitute mit Staatsfonds gerettet werden mussten, hatten GLS Bank, Umweltbank und Ethikbank Wachstumsraten zwischen 20 und 40 Prozent und stellten neue Mitarbeiter ein. Und: Das Wachstum gegen den allgemeinen Trend geht weiter. Eine Studie der Unternehmensberatung ZEB prognostiziert den Ethikbanken zwischen zehn und zwölf Millionen Kunden bis 2020. Bislang sind es zusammen etwa 210.000 - ein kleiner Markt, in dem die GLS Bank mit 105.000 Kunden die größte und älteste ist.

"Was den Andrang von Neukunden angeht, merken wir nichts von der neuen Krise", sagt Sylke Schröder, Mitgründerin und Vorstandsmitglied der Ethikbank im thüringischen Eisenberg. "Wir wachsen weiter, denn auch die Atomkatastrophe in Fukushima hat viele dazu gebracht, bewusst auszuschließen, dass ihr Geld in Atomkraft fließt."

Geschäfte ohne Rüstung, Atom und Kinderarbeit

Rüstungs- und Atomindustrie sind für die Ethikbank ebenso tabu wie Geschäfte mit Firmen, die Kinder ausbeuten, an gentechnisch veränderten Pflanzen oder giftigen Chemikalien verdienen. Die Positiv- und Negativ-Kriterien für die Anlagen der Kundengelder stehen fest und sind transparent. Für nachweislich nachhaltige Projekte werden Kredite an Privatleute und Unternehmen vergeben, außerdem fördert die Bank je ein Umwelt-, Ethik- und Frauenprojekt, und sie bietet sogenannte Mikrokonten für insolvente Firmen und Personen an, die woanders kein Konto bekommen.

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"Immer mehr Menschen erkennen, dass Geld kein neutrales Tauschmittel ist", sagt Schröder. "Sie wollen Einfluss darauf haben, was damit passiert und wie es sich vermehrt." Das schwankende Zinsniveau auf den Finanzmärkten und die Krise des Euro wirkten sich durchaus auf das Geschäft aus, sagt Schröder.

"Wir arbeiten nicht im luftleeren Raum und bekommen die Unsicherheit und die geringeren Gewinnsummen zu spüren." Nachhaltig arbeitende Banken seien aber wirtschaftlich weniger gefährdet, da sie grundsätzlich in die reale Wirtschaft investierten und nicht spekulierten. Die Ethikbank ist laut Schröder "kerngesund".

Sorglos in der Krise

Auch der Umweltbank in Nürnberg mit 90.000 Kunden macht die Eurokrise wenig Sorgen. Anders als GLS und Ethikbank bietet sie nicht die ganze Bankproduktpalette an, sondern ist auf Kredite und Geldanlagen im ökologischen Bereich spezialisiert. Das Kerngeschäft ist die Förderung von erneuerbaren Energien. "Das ist ein stabiler und durch die Energiewende wachsender Markt", sagt Unternehmenssprecher Oliver Brandt. "Daran ändert auch die Eurokrise nichts."

In ersten Kundengesprächen war die Eurokrise als Motivation zu einem Bankenwechsel bei der GLS Bank schon Thema - ein Massenphänomen ist sie nicht. "Die Leute spüren sie auch noch nicht", sagt Vorstand Jorberg. Das Bewusstsein dafür, dass reines Renditestreben im Bankgeschäft schlimme Folgen hat, sei aber da. "Immer mehr Menschen wollen Gewinnziele und ethische Ansprüche vereinbaren", sagt Jorberg. "Die neuen Finanzprobleme werden wieder viele zum Handeln bewegen."

epd