Palästinenser im Libanon träumen von Rückkehr
Im Flüchtlingslager Ain El Helweh im Libanon leben rund 40.000 Palästinenser. Sie erwarten mit Spannung die Abstimmung der UN-Vollversammlung über die Unabhängigkeit Palästinas. Ob sie in ihre Heimat zurückkehren können?
06.09.2011
Von Mona Naggar

Für die 21-jährige Riham Ali besteht kein Zweifel. Sie ist fest entschlossen eines Tages nach Safad zurückzukehren, in die Stadt in Nordisrael, die ihre Großeltern vor über 50 Jahren verlassen mussten. Auch der 19-jährige Mohammed Hassan spricht von Rückkehr: "Sicher werde ich nach Nazareth zurückkehren. Dort ist meine Heimat." Beide waren schon bei vielen Gedenkmärschen dabei, die an die Vertreibung der Palästinenser erinnern.

Die beiden jungen Palästinenser sind in Ain El Helweh geboren, dem größten Palästinenserlager im Libanon. Es liegt in der Nähe der südlibanesischen Stadt Sidon und ist eines von zwölf Flüchtlingslagern. In Ain El Helweh leben ungefähr 40.000 Menschen auf engstem Raum. Die meisten von ihnen sind Nachfahren der Flüchtlinge, die 1948 nach der Gründung des Staates Israel ihre Heimat verlassen mussten und im nördlichen Nachbarland Zuflucht gefunden haben.

"Ich weiß jetzt schon, dass meine Zukunft gescheitert ist"

Riham beschreibt ihr Leben im Lager als "Hölle". Die Straßen sind sehr eng. In die Häuser dringt kaum Sonne. Strom und Wasser sind knapp: "Am Eingang ist ein Checkpoint der libanesischen Armee. Oft wollen die Soldaten meinen Ausweis sehen. Ich streite mich oft mit ihnen, weil ich mir die Schikane nicht gefallen lasse." Auch Mohammed beschwert sich über die ständigen Kontrollen.

Riham macht bereits ihre zweite Berufsausbildung und hat kaum Hoffnung auf einen Arbeitsplatz. Sie ist gelernte Buchhalterin und nun drückt sie wieder die Schulbank und wird bald ihren Abschluss als Ingenieursgehilfin machen: "Ich weiß jetzt schon, dass meine Zukunft gescheitert ist. Niemand stellt mich ein, weil ich Palästinenserin bin."

Mohammed Hassan macht ähnliche Erfahrungen. Der angehende Elektriker hat kaum Aussichten auf eine feste Stelle. Für Palästinenser gelten besondere Regeln im Libanon. Viele Berufe dürfen sie außerhalb des Lagers nicht ausüben. Auch Besitz dürfen sie außerhalb des Lagers nicht erwerben. Die rechtliche Diskriminierung begründen libanesische Politiker damit, dass die palästinensischen Flüchtlinge sich nicht dauerhaft im Gastland ansiedeln sollen. Denn die Angst ist groß, die mehrheitlich sunnitischen Palästinener könnten die konfessionelle Balance im Libanon verändern.

Die Flüchtlinge sind sie Verlierer des Friedensprozesses

Der Plan der palästinensischen Autonomiebehörde, von der UN-Vollversammlung Palästina in den Grenzen von 1967 als unabhängigen Staat anerkennen zu lassen, wird von den Flüchtlingen im Libanon mit gemischten Gefühlen gesehen. Viele junge Palästinenser wie Mohammed oder Riham hoffen, dass dieser Schritt ihre Situation verbessern könnte. "Als palästinensische Staatsbürger genießen wir vielleicht dann den gleichen Status wie alle anderen arabischen Staatsbürger", sagt Mohammed.

Vertreter der älteren Generation sind da skeptischer. Sie haben ihr Vertrauen in die Politik verloren. Der 88-jährige Abu Salih etwa musste mit 25 sein Dorf in der Nähe von Akko verlassen: "Ich habe keine Hoffnung zurückzukehren. Meine Kinder haben noch Hoffnung. Sie sind hier geboren und wissen nichts über Palästina, aber sie würden alles dafür geben, dort zu leben." Ein unabhängiger Staat Palästina würde den alten Flüchtlingen nichts bringen, ist Abu Salih überzeugt.

Die Flüchtlinge von 1948 sind die großen Verlierer des palästinensisch-israelischen Friedensprozesses, der 1993 in den Verträgen von Oslo und der Palästinensischen Selbstverwaltung mündete. Verhandlungen über Zukunft die Zukunft der Flüchtlinge wurden ausgeklammert.

"Wir wollen zurück in unsere Heimatdörfer, nicht irgendwohin"

Die Rückkehr in die Heimat der Vorfahren ist wie ein Traum, der von den Eltern auf die Kinder weitergegeben wird. Ein Traum, der den Flüchtlingen hilft, ihr Leben am Rande der libanesischen Gesellschaft zu ertragen. Ein unabhängiger Staat Palästina in den Grenzen von 1967 würde vielleicht die Situation der heimatlosen Palästinenser verbessern, aber eine Rückkehr in isarelische Dörfer und Städte bliebe ausgeschlossen.

Und deshalb werden die Rückkehr-Forderungen bestehen bleiben. Eine der palästinensischen Organisationen im Libanon, die sich für die Flüchtlinge einsetzt, ist "Aidoun" zu Deutsch "Rückkehrer". Vor mehr als zehn Jahren hat der 66-jährige Jaber Sleiman sie mitgegründet: "Für uns bleibt der erste und wichtigste Schritt, dass Israel unser Recht auf Rückkehr anerkennt. Wir stützen uns auf die UNO-Resolution 194, die für uns Rückkehr, Entschädigung und Rückgabe des Eigentums garantiert." Und Sleiman ergänzt: "Auch wenn es einen Staat auf dem Gebiet der Westbank und des Gazastreifens geben sollte. Wir wollen zurück in unsere Heimatdörfer, nicht irgendwohin."

epd