"Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben", trällert Schlagerstar Jürgen Marcus seit 1972 und seine Fans singen mit, was heute viele Jüngere zu leben scheinen: "Was einmal war, ist vorbei und vergessen und zählt nicht mehr."
Dass eine lebenslange Beziehung nicht mehr sonderlich "zeitgemäß" sei, erzählten 45,1 Prozent der Befragten 16- bis 29-Jährigen in einer repräsentativen Erhebung der GfK Marktforschung Nürnberg. Für passender halten sie nach Angabe der Forscher das Konzept der "seriellen Monogamie". Demnach lebt man so lange mit seinem Lebensabschnittpartner zusammen, wie es eben gut geht. Dann sucht man sich einen neuen Gefährten. Gestützt wird diese Aussage durch ein weiteres Umfrageergebnis: 52,6 Prozent der Jugendlichen berichten davon, dass es in ihrem Bekanntenkreis kaum eine Beziehung gebe, die ein Leben lang hält. Das Lebensmodell der jungen Leute polarisiert. So wollen mehr als vier Fünftel der über 60-Jährigen am Beziehungsmodell der "seriellen Monogamie" nichts Gutes sehen.
Die Form von Partnerschaft wandelt sich mit der Zeit. Frauen sind heute in einer Beziehung zumeist nicht mehr, so wie es vor wenigen Jahrzehnten üblich war, vom Partner finanziell abhängig. Auch leben heute viele Menschen eine Wochenendbeziehung oder Fernbeziehung. Die Erwerbsarbeit reißt viele Paare regelmäßig auseinander. Wenn sich dann in der Liebe kein gemeinsamer Nenner mehr findet, halten sie ihre Beziehung nicht mehr zwanghaft aufrecht, sondern beenden sie. Jeder, der mehr als eine Partnerschaft in seinem Leben hatte, lebt demnach "seriell monogam".
Die Rede ist von "Treue auf Widerruf, Treue auf Zeit"
Der Soziologe Günther Burckarts schrieb bereits 1997: "Wir sehen uns heute mit einem neuen Modell von Paarbeziehungen konfrontiert, das in den Augen mancher Beobachter die traditionelle Ehe bereits abzulösen begonnen hat: das Paar auf Zeit. In diesem Modell wird ernst gemacht mit der Unmöglichkeit, Liebe und Dauerhaftigkeit zu vereinen. Das Bemühen um Beständigkeit wird sozusagen über Bord geworfen: Liebe dauert eben nicht ewig, und wenn sie endet, endet auch die Beziehung." Weiter schreibt er: "Grundlage der Paarbildung beim Liebespaar auf Zeit ist nicht mehr die lebenszeitliche Absicherung im Rahmen einer Paarbeziehung oder Ehe, sondern das momentane Gemeinschafts- und Glücksgefühl. Eine Trennung erscheint nicht als Ausdruck des Scheiterns, sondern ist prinzipiell von vornherein angelegt, weil die Menschen sich ändern und weil die Liebe vergeht."
Es scheint, als vereine das Beziehungskonzept die beiden großen Bedürfnisse eines Menschen in unserer Zeit: Die Erfüllung der Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit in einer Partnerschaft bei gleichzeitiger Selbstverwirklichung. Ändern sich die Bedürfnisse und Lebensumstände, streift man den Partner ab wie einen alten, zu eng gewordenen Mantel.
"Junge Leute glauben an die große Liebe ihres Lebens"
Jutta Stiehler vom Dr.-Sommer-Team der Jugendzeitschrift "Bravo" erhält täglich viele Anfragen von Jugendlichen zwischen zwölf und 16 Jahren rund um das Thema Liebe und Sexualität. "Für die Jugendlichen zählt allein das Hier und Jetzt. In den ersten Jahren wollen sie sich, ihren Körper, ihre Sexualität und die Liebe entdecken", sagt Jutta Stiehler. Im Vordergrund stehe, was mache ich, wenn mich der süße Typ von der Nachbarklasse oder das hübsche Mädchen von nebenan angelächelt hat? Da zähle der erste Blickkontakt, der erste Kuss.
"Für die Jugendlichen ist das eine spannende und aufregende, aber auch zugleich verwirrende Zeit", berichtet Stiehler aus ihrer Erfahrung. Im Fokus eines 13-Jährigen stehe die erste Beziehung. "Da denkt man noch nicht an Heirat. Da steht die Sehnsucht nach Liebe im Vordergrund. Viele junge Menschen glauben an die Liebe auf den ersten Blick und hoffen auf die große Liebe ihres Lebens", sagt die Beraterin vom Dr. Sommer-Team der "Bravo" und resümiert: "Der Glaube an die große Liebe ist da".
Das Ergebnis der Nürnberger Umfrage, dass junge Menschen lieber "seriell monogam leben" verdeutlicht auch, dass das Bedürfnis und die Sehnsucht nach Halt, Geborgenheit und Stabilität in einer Beziehung weiterhin der Antriebsmotor vieler Menschen sind. Das Konstrukt der Familie – also Vater, Mutter und mindestens ein Kind – löst sich in Deutschland nicht auf, sondern verändert sich. Zwar wird in Deutschland heute jede zweite Ehe geschieden. Die meisten Geschiedenen gehen aber auch wieder eine neue Ehe ein.
Das Glück lässt sich in einer langjährigen Beziehung finden
"Vermutlich stimmt es, dass Menschen, wie die Mehrheit aller Säugetiere, nicht von Natur aus monogam sind", sagt Glücksforscher Mihaly Csikszentmihalyi. Wie aber kann man in einer langjährigen Partnerschaft die Liebe trotzdem frisch halten? Der Wissenschaftler aus Chicago hat auch darauf eine Antwort: "Um Freude zu schaffen, muss eine Beziehung immer komplexer werde. Die Partner müssen neue Potentiale in sich selbst und einander entdecken – so dass sie lernen, welche Gedanken und Gefühle, welche Träume im Kopf des anderen leben. Wenn man wirklich einen anderen Menschen kennenlernt, werden viele gemeinsame Abenteuer möglich: zusammen reisen, das gleiche Buch lesen, Kinder großziehen, Pläne schmieden und verwirklichen – alles wird erfreulicher und sinnvoller."
Markus Bechtold ist Redakteur bei evangelisch.de.