Terrorismus: "Unrecht nicht mit Unrecht begegnen"
Der Friedensbeauftragte der EKD, Renke Brahms, warnt vor einem Generalverdacht gegenüber Muslimen und davor, Unrecht mit Unrecht zu beantworten. Zum zehnten Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 hat auch die deutsche Bischofskonferenz ein neues Papier zu "Terrorismus als ethische Verantwortung" vorgelegt.

"Wir müssen starre Bilder aufbrechen", mahnte Renke Brahms, Beauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD): "Muslime werden schnell mit einem gewalttätigen Islam in Verbindung gebracht." Doch nur ein verschwindend kleiner Teil von ihnen sei zur Gewalt bereit. "Wir müssen auf Differenzierung drängen", appellierte der leitende Bremer Theologe.

"Viele Muslime leben bei uns als friedliche Menschen", betonte Brahms. Zu den Lektionen, die es nach dem 11. September zu lernen gebe, gehöre es, sie vor einem Generalverdacht zu schützen. Der erste Schritt dazu seien Begegnungen. "Fundamentalisten gibt es überall, auch unter Christen." Es bleibe die gemeinsame und verbindende Aufgabe aller Religionsgemeinschaften, ihnen die Basis zu entziehen. "Fundamentalismus ist hoch gefährlich", warnte Brahms, der auch theologischer Repräsentant der Bremischen Evangelischen Kirche ist.

Menschenrechte und Menschenwürde wahren

Er mahnte dazu, die Wurzeln des Terrorismus in den Blick zu nehmen. "Wir müssen uns doch fragen: Woher kommt dieser Hass auf den Westen, auf die USA, damit wir nicht nur an den Symptomen herumdoktern." Soziale Ungerechtigkeit im Zusammenhang mit einem globalen Wirtschaftssystem, das viele Menschen in Armut halte, förderten Gewalt und Fundamentalismus. "Die Frucht der Gerechtigkeit wird Frieden sein", zitierte Brahms die Bibel. "Umgekehrt heißt das: Aus Ungerechtigkeit wächst Gewalt."

"Die Wahrung der Menschenwürde und der Menschenrechte ist unabdingbare Voraussetzung für die Überwindung des Terrorismus", sagte auch der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick, Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, bei der Vorstellung des neuen katholischen Grundsatzpapiers zu Terrorismus und Friedensethik. Die Kommission argumentiert unter anderem für eine Stärkung des Völkerrechts und dafür, dass individuelle Rechte nicht unter einem Terrorismus-Vorbehalt stehen dürften.

Die Bischöfe betonten, dass in den vergangenen Jahren nach dem 11. September vor allem seitens der USA grundlegende Rechte unterwandert wurden, insbesondere durch Gefängnisse in rechtlichen Grauzonen und den Folterskandal in Abu Ghraib. Dies dürfe nicht sein, stellten die Bischöfe fest. Die Gesellschaft stehe "bedrohlichen und zerstörerischen Phänomenen gegenüber […], auf die es keine einfachen Antworten gab und gibt, die aber gleichwohl wirksame Abwehrmaßnahmen erforderlich machen", heißt es in dem Papier. Dafür müssten gewaltfreie Lösungen und Vorbeugung an erster Stelle stehen, auch wenn militärische Maßnahmen "in bestimmten Situationen" unverzichtbar sind, sagte Erzbischof Schick in Berlin.

"Unrecht nicht mit Unrecht beantworten"

EKD-Beauftragter Brahms formulierte es ähnlich: Zu den wichtigsten Lektionen der zurückliegenden Jahre gehöre auch die Einsicht, dass gewaltfreie Lösungen und zivile Hilfe vor militärischen Interventionen stehen müssten, sagte er: "Vor jedem Einsatz mit Waffen müssen wir sehr viel genauer hinschauen." Durch Operationen der Streitkräfte in Afghanistan und im Irak sei die Welt nicht friedlicher geworden. Sie hätten aber den Blick auf die Alternativen gelenkt. Doch: "Dem Zivilen wird noch nicht genug Raum gegeben – eindeutig."

Brahms sagte, im Zusammenhang mit den Anschlägen auf die Twin Towers und das Pentagon denke er in erster Linie an die Opfer, ihre Angehörigen und die vielen Helfer "und daran, was diese furchtbar-gewalttätigen Anschläge in der Zeit danach an Opfern gefordert haben." Dazu gehörten unberechtigt Verdächtige, Folteropfer und eingeschränkte Bürgerrechte. Im Zusammenhang mit Folterungen muslimischer Gefangener in Guantánamo und Polen sagte Brahms, Unrecht dürfe nicht mit neuem Unrecht beantwortet werden. "Wir verlieren die Berechtigung, zu agieren, wenn wir unsere eigenen Werte verletzen."

epd/evangelisch.de