Rote, saftige Tomaten, gelbe Paprika und grüne Gurken - was nach einem guten Salat klingt, stapelt sich im Mülleimer eines Supermarkts. Das Gemüse wird niemand mehr kaufen oder essen. In seinem Dokumentarfilm "Taste The Waste" zeigt der Journalist Valentin Thurn, wieso noch gute Lebensmittel im Müll landen und wie der Umgang mit Nahrung in den Industrieländern den Hunger in Entwicklungsländern verschlimmern kann. Der Film kommt am 8. September in die deutschen Kinos.
Kleine Kartoffeln werden aussortiert
Die Hälfte aller Lebensmittel landet Thurns Recherchen zufolge im Müll. In Deutschland seien es 20 Millionen Tonnen. Meist ist das Mindesthaltbarkeitsdatum noch nicht abgelaufen, das Obst oder Gemüse ist zu klein oder zu groß oder sieht nicht normal aus. So berichtet ein Landwirt im Film, dass er 40 bis 50 Prozent seiner Kartoffelernte aussortieren müsse. Viele Kunden meinten, dass dicke oder kleine Kartoffeln schlechter als durchschnittliche seien.
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Der Staatssekretär im Bundesernährungsministerium, Robert Kloos, widerspricht den Aussagen des Landwirts bei einer Podiumdiskussion in Köln. Regionale Händler seien an den Kartoffeln interessiert und rohe Knollen könnten auch an Schweine verfüttert werden. Ob Thurns Zahlen über weggeworfene Lebensmittel stimmten, werde eine Studie des Ernährungsministeriums Ende des Jahres "wissenschaftlich" zeigen, erklärt er.
Seit Juli 2009 dürfen in der EU wieder krumme Gurken verkauft werden. Davor waren sie normiert, mussten grade sein, um in Transportkisten zu passen. Normen garantierten Händlern Qualität, sagt Kloos. "Natürlich muss das nicht staatlich geregelt sein." Normen vermeiden seiner Meinung nach auch Abfall. Bananen mit starker Krümmung kämen beispielsweise mit Druckstellen in Deutschland an und müssten aussortiert werden.
"Den Wert des Essens deutlich machen"
Weltweit hungert fast eine Milliarde Menschen. Claudia Warning vom Vorstand des Evangelischen Entwicklungsdienstes erklärt, dass es genügend Lebensmittel gebe. Allerdings sind ihren Angaben zufolge 70 Prozent der Hungernden weltweit Kleinbauern, die nicht genügend Lebensmittel für sich selbst produzieren könnten. Es ist laut Warning Aufgabe der Entwicklungshilfe und des Handels, den nicht industriell arbeitenden Bauern zu helfen. Kleinbauer müssten mehr verdienen und ihnen dürfe ihr Anbauland nicht für Plantagen weggenommen werden.
Außerdem sei es wichtig, den Menschen in den industrialisierten Ländern den Wert des Essens wieder deutlich zu machen, sagt sie. Auf den Philippinen müssten Restaurantbesucher beispielsweise den doppelten Preis für ein Buffet bezahlen, wenn auf dem letzten Teller etwas überbleibe.
Rund die Hälfte aller Konsumenten interessiert sich dem Rewe-Vorstand Josef Sanktjohanser zufolge nicht für Essenskultur. Sie würden immer essen. Der Großteil der Deutschen gebe nur elf Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel aus. "Der Kunde geht an Fair-Trade-Milch vorbei und kauft die für weniger Geld." Der Handel richte sich nach den Wünschen der Verbraucher.
Vorzug für regionale und fair gehandelte Ware
Viele Menschen interessieren sich der Grünen-Politikerin Bärbel Höhn zufolge für fair gehandelte und regionale Produkte. Es würde nur zu wenig produziert. Die Politik müsste den Ökolandbau oder die Regionalisierung fördern. Des Weiteren kritisiert die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag das Mindesthaltbarkeitsdatum auf Produkten. Für Wasser und Zucker sei es sinnlos, da sie sehr lange frisch blieben. Hackfleisch sei wiederum ein sensibles Produkt, wenn es in der Sonne gelegen hätte, nütze kein Haltbarkeitsdatum. Das Mindesthaltbarkeitsdatum sagt aus, wie lange der Hersteller die Qualität des Produkts garantiert. Es ist aber meistens noch länger gut.
Für den Psychologen und Geschäftsführer des Marktanalyse-Instituts rheingold, Stephan Grünewald, muss der Mensch wieder eine Beziehung zu seiner Nahrung aufbauen. Das Mindesthaltbarkeitsdatum gebe dem Verbraucher eine "Lizenz zum Töten, zum Wegwerfen", sagt er. Denn der Mensch kaufe nicht nach Bedarf, sondern für alle möglichen Eventualitäten ein. Zurzeit reagiere der Kunde am meisten auf den Preis der Ware. "Der Preis preist das Produkt", sagt er. Wenn er niedrig sei, sinke damit der Wert der Ware. "Dann fehlt die Hochachtung vor dem Produkt und es kann einfacher weggeworfen werden."