Unter den Platanenkronen erklingen die nasalen Gesänge der muslimischen Männerchöre, der Duft der orientalischen Köstlichkeiten weht um die Häuser aus der Gründerzeit. Die Bürgersteige sind mit langen Tischreihen bestückt, Zimt, Koriander, Knoblauch und Ingwer kitzeln die Nase. Es ist laut, wuselig und schwül, die heißen Sommerwinde tragen die Hitze in die Straßenschlucht.
Im Herzen der serbischen Hauptstadt Belgrad feiern am Freitagnachmittag Muslime den Bayram, das Fastenbrechen am Ende des Ramadan. Zum höchsten muslimischen Feiertag habe sie ihre jüdischen und christlichen Nachbarn eingeladen.
Das friedliche interreligiöse Miteinander ist ein politisches Signal dafür, dass serbische Muslime sich in Belgrad zu Hause fühlen. Indes befürworten nicht alle islamischen Würdenträger eine Integration der muslimischen Minderheit in Serbien. Das haben jüngst Äußerungen des geistigen Oberhauptes der bosnischen Muslime, Mustafa Ceric, gezeigt: Während des Ramadan besuchte der Großmufti von Bosnien und Herzegowina die südserbische Region Sandzak. In der Moschee von Novi Pazar verkündete er, dass die Zeit für einen eigenen Staat reif sei, in dem alle Bosniaken vereint sein sollten.
"Glücklich, in Serbien zu leben"
Die Muslime von Sandzak - eine Region, die im Südwesten Serbiens, im Nordosten Montenegros, und teilweise im Kosovo liegt - bezeichnen sich wie die bosnischen Muslime als "Bosnjaci" (Bosniaken). In Novi Pazar haben sie 2007 ihre eigene islamische Gemeinde gegründet. Seitdem residiert hier Muamer Zukorlic, der Hauptmufti von Sandzak. Er fühlt sich der Führung im bosnischen Sarajevo zugehörig und erkennt die Islamische Gemeinde Serbiens, die ihren Sitz in Belgrad hat, nicht an. Er verlangt politische Autonomie für seine Region, fordert ausländische Beobachter, die die Muslime in Sandzak unterstützen sollen.
Muhamed Jusufspahic, der Obermufti der Islamischen Gemeinde in Belgrad, setzt sich dagegen für Integration der Muslime in die serbische Gesellschaft ein. Für Jusufspahic ist Serbien die einzige Heimat der serbischen Muslime. In seiner Ansprache in der Bajrakli-Moschee beim Bayram-Fest richtet er deshalb klare Worte an seinen Kontrahenten in Novi Pazar: "Allah ist mit uns, wir Muslime sind glücklich, in Serbien zu leben und hier unter Freunden und Nachbarn unserem Gott dienen zu dürfen."
Die kleine Moschee ist überfüllt. Im Hof waschen Zuspätgekommene noch eilig die Füße, Schuhe versperren den Eingang. Auf der Straße hallen die Worte des serbischen Mufti wider.
Multireligiöses Umfeld
Nach dem Gebet füllt sich die zentrale Gospodar-Jevremova-Straße, wo Tische im Schatten der Moschee aus dem 15. Jahrhundert gedeckt sind. Serbische Popen in wallenden schwarzen Gewändern grüßen muslimische Geistliche, die ebenfalls schwarze, wallende Gewänder tragen. "Gott hilf", sagen die orthodoxen Popen, "Selam alejkum", antworten die Imame, während der Rabbi aus der Synagoge von nebenan mit einem "Shalom" grüßt. Das Umfeld der Moschee ist im besten Sinne multireligiös: Der Sitz der jüdischen Gemeinde und die Synagoge sind gleich um die Ecke, die Domkirche der serbisch-orthodoxen Kirche nicht weit, und noch ein paar Straßen weiter steht die katholische Kirche.
Nun werden endlich die Plastikplanen von den Tischen entfernt, ein dichtes Gedränge verwandelt die Straße in einen großen Marktplatz. Es wird gegessen und getrunken. Bis zum späten Nachmittag bleibt die "Straße der Herzen", wie die Gospodar-Jevremova-Straße am Tag des Bayrams liebevoll genannt wird, voller Menschen. Dann verschwinden zuerst die Feiernden, dann die Tische - und dann kehrt der Alltag langsam in die Gospodar-Jevremova-Straße wieder ein.