Der Journalist David Leigh habe in einem Buch "rücksichtslos und ohne unsere Zustimmung einzuholen" ein Passwort zur Entschlüsselung Hunderttausender unveröffentlichter und zum Teil noch unredigierter Botschafts-Telegramme veröffentlicht, heißt es in einer in der Nacht zum Donnerstag verbreiteten Wikileaks-Erklärung. Der "Guardian" wies die Vorwürfe zurück.
Der Vorwurf: Verstoß gegen Vertraulichkeitsabsprache
Die Enthüllungsplattform, die bei der Veröffentlichung der Botschaftsdokumente mit der britischen Zeitung zusammengearbeitet hat, warf dem "Guardian" vor, mit der Herausgabe des Buches im Februar dieses Jahres gegen eine Vertraulichkeitsabsprache verstoßen und Menschen gefährdet zu haben. Man prüfe deshalb juristische Schritte "gegen den "Guardian" und eine Person in Deutschland, die das Passwort zum persönlichen Nutzen weiterverteilt hat". Konkrete Schritte wurden aber nicht angekündigt.
"Es ist Unsinn zu behaupten, dass das Wikileaks-Buch des "Guardian" in irgendeiner Weise die Sicherheit gefährdet hat", erklärte die britische Zeitung. In dem Buch sei zwar ein Passwort genannt worden, "uns wurde aber gesagt, dass es ein zeitlich begrenztes Passwort sei, das verfallen und binnen Stunden gelöscht werde."
In den im Internet aufgetauchten Originaldokumenten sind Medienberichten zufolge Namen von Informanten der US-Botschaften genannt, die teilweise auch sensible Informationen lieferten. In den von Wikileaks kontrolliert veröffentlichten Botschaftsdokumenten waren solche Angaben, die Personen in Gefahr bringen könnten, unkenntlich gemacht worden.
Streit zwischen Assange und Domscheit-Berg eskaliert
Zuvor hatte der Gründer der Enthüllungsplattform, Julian Assange, bereits dem deutschen Wikileaks-Aussteiger Daniel Domscheit-Berg über einen Anwalt den Bruch von Absprachen und Selbstverpflichtungen sowie "ein gesteigertes Maß an Niedertracht" vorgeworfen. Er habe Journalisten Hinweise zur Öffnung der verschlüsselten Dateien gegeben, hieß es in einem Schreiben des Anwalts.
"Aus meiner Sicht ist das Schreiben ein klassisches Ablenkungsmanöver", erwiderte Domscheit-Berg in einer E-Mail an dpa. Im Umgang mit den Botschaftsdepeschen habe WikiLeaks nun mehrfach Fehler gemacht, zum Teil wegen "des fahrlässigen Handelns von Herrn Assange". Nun seien sie für alle verfügbar. Außerdem seien Teile der Botschaftsdepeschen "durch offizielle Vertreter von WikiLeaks weitergegeben und verkauft" worden, warf Domscheit-Berg der Enthüllungsplattform vor. Er habe nun "mit einem Journalisten meines Vertrauens" über das Problem der öffentlich verfügbaren Originaltexte gesprochen. Domscheit-Berg startete vor kurzem eine eigene Enthüllungsplattform mit dem Namen OpenLeaks und erklärte: "Ich konzentriere mich viel lieber auf den Aufbau unseres neuen Projekts."
Wikileaks wieder über Stammadresse im Web erreichbar
Wikileaks ist neun Monate nach der Abschaltung der Internet-Adresse wikileaks.org ist wieder über ihre Stammadresse erreichbar. Das Projekt teilte dies am Mittwoch im Kurzmitteilungsdienst Twitter mit. Anfang Dezember 2010 hatte die US-Internet-Firma everyDNS.net die zentrale Adresse entfernt, unter der Wikileaks zuvor im Browser aufgerufen wurde. Das Unternehmen begründete die Entscheidung mit massiven Attacken auf die Webseite, nachdem WikiLeaks mit der Veröffentlichung von Berichten amerikanischer Diplomaten begonnen hatte.
Das Aus für wikileaks.org löste damals eine breite Solidarisierungswelle aus. Nach kurzer Zeit war die Website über die Schweizer Adresse wikileaks.ch wieder zu erreichen. Außerdem machten in wenigen Tagen mehr als 1.000 Sympathisanten auf ihren Web-Servern Platz für die Veröffentlichung der Botschaftsdepeschen. Der Internet-Aktivist John Perry Barlow twitterte nach der Abschaltung von wikileaks.org: "Der erste ernsthafte Info-War ist jetzt im Gange. Das Schlachtfeld ist Wikileaks. Ihr seid die Truppen."