Bernd Drouven ist Nutznießer der Energiewende, aber er macht keinen glücklichen Eindruck. Allein eine größere Windturbine benötigt für Umrichter, Trafo, Generator und Rotorblätter bis zu 8300 Kilogramm Kupfer. Als Vorstandsvorsitzender des weltweit zweitgrößten Kupferherstellers Aurubis aus Hamburg kann sich Drouven auf ein florierendes Geschäft freuen. Dann aber zeigt er ein Diagramm mit heftigen blauen Ausschlägen nach oben und ebenso heftigen roten Ausschlägen nach unten. Mit Beginn des Moratoriums für Atomkraftwerke Mitte März ist der Bereich fast nur noch rot. "Wir sind vom Stromexporteur zum Stromimporteur geworden", sagt Drouven.
Das Beispiel lässt den Ökostrom-Rekord in etwas anderem Licht erscheinen. Zwar gab es in den ersten sechs Monaten erstmals einen Anteil von über 20 Prozent Ökostrom an der Stromerzeugung, gerade wegen viel Sonnenstroms im Frühjahr konnte die Abschaltung der sieben ältesten Atomkraftwerke nach dem GAU von Fukushima aufgefangen werden. Aber da der Strom da hergeholt wird, wo er am günstigsten ist, stiegen zugleich die Stromimporte, etwa aus Frankreich.
Gerade energieintensive Betriebe wie Aurubis, wo in der Gießerei bei mehr als 1000 Grad Kupferplatten gegossen werden, sind auf billigen Strom angewiesen. Drouven betont, dass ein großer Teil des Wohlstands und zehntausende Arbeitsplätze in Deutschland auf dem im Vergleich zu anderen Ländern hohen Anteil von 26 Prozent Industrie beruhten. "Wir gehen von steigenden Energiepreisen aus", sagt er. "Uns sorgt aber auch die Energiesicherheit." Ein längerer Blackout könnte die Metalle in den riesigen Öfen auf dem Werksgelände im Hamburger Hafen erkalten lassen, die dann Schrott wären.
Bisher ist Ökostrom oft teurer als Atomstrom
Was hat das alles mit dem für die Bundesregierung erfreulichen Ökostrom-Rekord zu tun? Da sind zum einen die Kosten. Zwar sind Betriebe wie Aurubis von den Förderzahlungen für erneuerbare Energien weitgehend befreit, aber preistreibend sind auch Netzentgelte, die durch den notwendigen Netzausbau zur Einspeisung von immer mehr Windstrom aus dem Norden steigen dürften. Und von der Regierung geplante Millionenentlastungen für tausende Betriebe mit einem hohen Energieverbrauch könnten am Veto aus Brüssel scheitern. Die Frage ist, ob die Subvention den Wettbewerb verzerrt.
Aber auch schon kleinste Bewegungen beim Strompreis nach oben gefährden die Wettbewerbsfähigkeit. Die Kilowattstunde Ökostrom ist bisher noch oft weit teurer als Atom- oder Kohlestrom. Gerade im Winter könnten die Strompreise steigen, wenn wegen Eigenbedarfs weniger billiger Importstrom von den europäischen Nachbarn zur Verfügung steht. Dann dürfte der Ökostromanteil auch wieder unter 20 Prozent sinken, weil die Sonne als Lieferant weitgehend ausfällt.
Drouven hat auch zur Unterlegung dieser Aussagen die passende Präsentation zur Hand. Die Balken für die Stromkosten steigen seit Jahren immer weiter in die Höhe, 2010 stiegen die Kosten für Aurubis nur an seinen deutschen Standorten auf 59 Millionen Euro.
Langfristig könnte der Preis sinken
Auch EU-Energiekommissar Günther Oettinger sorgt sich, er nennt den deutschen Strompreis "gefährlich hoch", nur Dänemark habe in der EU höhere Preise. Der Preis sei durch 48 Prozent Steuern und Abgaben politikgetrieben. Er warnt vor einer Deindustrialisierung, wenn der Preis nicht sinkt. Letztlich kommt es darauf an, dass der Ökoausbau gleichmäßig verläuft und mit Netz- und Speicherausbau Schritt hält.
Für den privaten Stromverbraucher hat die Wende seit Jahren ihren Preis. Über die Stromrechnung zahlen sie die Förderung mit der Erneuerbaren-Energien-Umlage, die 2011 erstmals auf 3,5 Cent pro Kilowattstunde gestiegen ist. Seit 2000 wurden nach dpa-Berechnungen insgesamt 64,16 Milliarden Euro an Vergütungen für Ökoenergie gezahlt. Allerdings wirkt immer mehr Ökostrom auch preisdämpfend, so dass die Umlage schon 2012 wieder auf rund 3 Cent sinken könnte. Und für die Gesellschaft entfallen hohe Folgekosten wie für Klimaschäden durch die Kohleverstromung und Entsorgungskosten beim Atommüll. Langfristig könnte der Strompreis also wieder deutlich sinken.
Dietmar Schütz, Präsident des Bundesverbands erneuerbare Energie (BEE), betont, der Anstieg der Strompreise sei keinesfalls durch die Förderung erneuerbarer Energien getrieben. Von 2000 bis 2010 sei der monatliche Beitrag, mit dem ein durchschnittlicher Haushalt den Ausbau der Erneuerbaren fördert, um rund fünf Euro angestiegen. "Die monatliche Stromrechnung hingegen stieg im gleichen Zeitraum um etwa 30 Euro - also sechs mal soviel", rechnet Schütz vor.