EKD-Präses für Reichen-Steuer - Industrie dagegen
Höhere Abgaben für Vermögende: Das Rezept, dem Staat mehr Einnahmen zu sichern, ist nicht neu. Jetzt macht sich die Evangelische Kirche dafür stark. Die Koalition will trotz leerer Kassen Steuern senken. Und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) lehnt eine Sondersteuer für Vermögende ab.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, hat sich in der Steuer-Debatte für eine stärkere Belastung von Reichen ausgesprochen. "In der gegenwärtigen Finanzmarktkrise ist es nur gerecht, wenn starke Schultern mehr stemmen - diejenigen, die 20 Jahre lang von der Entwicklung profitiert haben, während die meisten anderen zu den Verlieren zählen", sagte Schneider der "Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung".

Auslöser der Debatte in Deutschland sind Pläne Frankreichs zu einer Sonderabgabe für Reiche, um die aktuelle Schuldenkrise zu überwinden. Auch Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz fordert Steuerreformen und mehr Transparenz im Finanzsystem. "Sie können die Steuern für Firmen senken, die viel investieren - und sie für die Firmen erhöhen, die wenig investieren", sagte der frühere Chefökonom der Weltbank in einem Interview der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Man könne auch die Steuern für Reiche erhöhen und das Geld investieren.

"Bereitschaft deutscher Multimillionäre wird unterschätzt"

Stiglitz regte zudem an, die Mehrwertsteuer zu senken, um den Konsum anzukurbeln. Im Gegenzug könnte man eine Steuer auf Spekulationsgeschäfte einführen. "Das würde Geld bringen und helfen, die Finanzmärkte unter Kontrolle zu bringen", sagte er. Der US-Ökonom zeigte sich überzeugt, dass die Steuer funktionieren würde, wenn sie Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien gemeinsam beschließen würde. Sie müsste aber für alle Einwohner erhoben werden, egal wo sie ihre Aktien handelten. Europa müsse ohnehin seine Steuersysteme anpassen, um Steuerflucht zu bekämpfen.

Auch die Deutsche Steuer-Gewerkschaft begrüßte Vorschläge, die Steuern für Reiche zu erhöhen. Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstagsausgabe) sagte der Bundesvorsitzende Thomas Eigenthaler, eine Sonderabgabe für Multimillionäre in Deutschland könne ab einem Gesamtvermögen von 25 Millionen Euro greifen. Die Beträge könnten über mehrere Jahre abgezahlt werden.

Die Bereitschaft deutscher Multimillionäre, auch mit ihrem Privatvermögen zur Krisenbewältigung beizutragen, werde generell unterschätzt. "Über die genaue Ausgestaltung der Abgabe muss natürlich die Politik entscheiden. Wichtig wäre aber, dass überhaupt über solche Maßnahmen nachgedacht wird", sagte Eigenthaler.

Nahles: "Den Appell nicht tatenlos verstreichen lassen"

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) lehnte eine Sondersteuer für Vermögende ab. BDI-Chef Hans-Peter Keitel bezeichnete Aufrufe von Spitzenmanagern wie jetzt in Frankreich unter dem Titel "Besteuert uns" als PR-Gag. "Das hat mit einer ernsthaften Steuerdiskussion nichts zu tun", sagte er der "Frankfurter Rundschau" (Samstagsausgabe).

Kanzlerin Angela Merkel und FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle unterstrichen den Willen, noch dieses Jahr Steuererleichterungen auf den Weg zu bringen. "Im Herbst bekommen wir eine Schätzung der Steuereinnahmen, und wenn wir die kennen, beschließen wir noch in diesem Jahr eine maßvolle Steuererleichterung für kleine und mittlere Einkommen, die zum 1. Januar 2013 in Kraft tritt", sagte CDU-Chefin Merkel der "Bild am Sonntag". Stabiles Wachstum schaffe Arbeitsplätze und entlaste die Haushalte, sagte Brüderle dem "Focus". "Dafür brauchen wir ein ordentliches Entlastungsvolumen bei Steuern und Abgaben."

Der FDP-Finanzpolitiker Volker Wissing empfahl reichen Bürgern, dem Staat lieber Geld zu spenden als nach Steuern zu rufen. "Ich halte von einer Vermögensabgabe gar nichts", sagte er den Zeitungen der WAZ-Gruppe (Samstagsausgabe) mit Blick auf den Appell von 50 Reichen, die eine Vermögensabgabe und die Wiedereinführung der Vermögensteuer fordern.

Dagegen sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles diesen Zeitungen: "Dieser Appell ist ein sehr gutes Zeichen und beweist, dass die Diskussion über die Besteuerung von hohen Vermögen auch jenseits der klassischen Neiddebatte geführt werden kann." Die Bundesregierung solle den Appell nicht tatenlos verstreichen lassen.

 

dpa/epd