"Wir kommen jetzt ins Gewerbegebiet", sagt die "Stadtführerin" vollmundig. Der Hinweis ist notwendig, denn durch die staubigen Fenster des Jeeps bietet sich das gleiche Bild wie im Rest von Rawabi: Kies, Büsche und Schotterwege, die den Windungen des Hügels folgen. In Werbebroschüren und im Internet schwärmen die privaten Betreiber von weißen Mehrfamilienhäusern, Blumenterrassen und Alleen, die zum Flanieren einladen. Aber bisher sind nur Bulldozer zu sehen - kein einziges Gebäude, außer einer Halle, in der riesige Maschinen Steine zerkleinern. Das ist Rawabi heute, laut Planung die künftige Heimat von 40 000 Menschen.
2010 wurde mit dem Bau begonnen, und wenn alles nach Plan und Werbebroschüre verläuft, werden 2013 die ersten 1350 Wohneinheiten bezugsfertig sein. Die Projektleitung möchte vor allem junge Menschen anlocken. Mindestens 70 Prozent der künftigen Bewohner sollen zwischen 25 und 40 Jahren alt sein - die Generation Facebook. 15 Prozent sollten Single sein, und alle sozial abgesichert, gebildet und umweltbewusst. Sie sollen in Rawabi leben und arbeiten wollen.
Eine Wohnung kaufen kann theoretisch jeder, der laut den Bestimmungen der Palästinensischen Autonomiebehörde im Westjordanland leben darf, also auch Ausländer. Mehr als 7000 Kandidaten sollen sich schon für eine der im Endausbau geplanten 6000 Apartments beworben haben. Rawabi liegt 20 Kilometer nördlich von Jerusalem und 40 Kilometer östlich von Tel Aviv, mitten in der für das Westjordanland charakteristischen Hügellandschaft, der sie ihren Namen verdankt - Rawabi heißt auf arabisch "Hügel".
Die Stadt wird mehr als 560 Millionen Euro kosten
Bashar Masri, der hinter dem Stadtprojekt steckt, hat sich bewusst für diesen Namen entschieden und gegen andere Vorschläge wie Salam (Frieden) oder Amal (Hoffnung), da sie ihm zu politisch waren. "Eine Nation aufzubauen, ist kein politisches Projekt, es ist Recht und Pflicht eines jeden, der in einer Gesellschaft lebt. Deshalb sollte der Name der Stadt unpolitisch sein", sagt Masri.
Masri ist ein palästinensischer Geschäftsmann. Er preist Rawabi als das größte Projekt in der Geschichte der palästinensischen Privatwirtschaft an: Die Stadt wird nach seinen Angaben umgerechnet mehr als 560 Millionen Euro kosten. Die katarische Regierung trägt die Kosten für die Gebäude, allerdings sucht Masri noch Investoren für Infrastrukturmaßnahmen wie Kanalisation, eine Kläranlage, Schulen, Rathaus oder ein Feuerwehrhaus. "Die geringe Unterstützung der internationalen Gemeinschaft ist bisher meine größte Enttäuschung", klagt er.
Investoren sehen aber auch eine Reihe von Problemen, mit denen die neue Stadt zu kämpfen hat. So verabschiedete das israelische Parlament Mitte Juli ein Gesetz gegen Boykottaufrufe für Produkte aus israelischen Siedlungen im Westjordanland. Genau das aber verlangen die Bauherren von Rawabi von allen beteiligten Unternehmen. "Es kann von uns nicht erwartet werden, dass wir Produkte von denen nutzen, die uns seit dem ersten Tag hassen, unser Land besetzen und uns angreifen", sagt Masri.
Wir sollten eigentlich schon viel weiter sein
Außerdem fehlt noch eine richtige Zufahrtsstraße. Bisher windet sich nur eine schmale Piste durch die malerische Landschaft bis Rawabi, auf der an manchen Stellen keine zwei Lastwagen aneinander vorbeifahren können. Um die Stadt bauen und bewohnen zu können, muss eine neue Straße her. Die verläuft jedoch dem Plan nach für 2,4 Kilometer über israelisch kontrolliertes Gebiet. Die israelische Regierung hat dies in die stockenden israelisch-palästinensischen Friedensverhandlungen einbezogen. Dadurch wird Rawabi blockiert. Masri ist genervt: "Wir können nicht voll in den Bau einsteigen, seit neun Monaten schon. Wir sollten eigentlich schon viel weiter sein."
Obwohl Masri sagt, dass er keine politischen Absichten verfolge, ist sein Projekt zum Gegenstand der hohen Politik geworden. Dies könnte auch den Einzug der ersten Bewohner verzögern. George Rafidi, der Projektmanager, hat sich aber trotz aller Probleme seinen Platz in Rawabi reserviert. "Dieses Projekt ist gigantisch, es ist das erste seiner Art in Palästina. Die Innenstadt wird verkehrsfrei sein, wir sind mitten in der Natur, und vor allem die gute Luft...". Zumindest daran wird auch die Politik nichts ändern können.